Software essen Seele auf

■ Bildschirmarbeit: Schutz vor Überforderung durch Programme nicht faßbar

„Komm schon, komm schon, was soll das? Ich verstehe Dich nicht!“ Wer am Computer arbeitet, der redet auch bald mit dem Bildschirm. Was aber unter KollegInnen als „Mobbing“ gilt, kann beim Computer zur arbeitsbedingten Krankheit werden. Das jedenfalls vermuten Arbeitsmediziner, wenn sie sich mit Bildschirmarbeitsplätzen beschäftigen. Denn für die äußeren Arbeitsbedingungen am Bildschirm gibt es durchaus Richtlinien – aber bei Fragen der Arbeitsorganisation und der Software sind die Arbeitsschützer hilflos.

Für den Arbeitsplatz mit Bildschirm gilt im Grunde das gleiche wie für den ohne: „Die Maschinen müssen sich an den Menschen anpassen und nicht umgekehrt“, meint Klaas Reinders von der Senatsbehörde für Arbeit. Das heißt: Der Tisch hoch genug, der Stuhl sorgt für gute Haltung, die Sonne spiegelt sich nicht auf dem Bildschirm. „Das Hauptproblem mit den Bildschirmen ist eigentlich, daß sie überall hingestellt werden“, meint Reinders. Ansonsten kein Befund: Die neuen Bildschirme seien fast alle flimmerfrei, Auflösung, Kontrast und Helligkeit seien in Ordnung, und die physische Belastung für Arme und Hände beim Tippen auf dem Keyboard wesentlich geringer als zu Zeiten mechanischer Schreibmaschinen.

Eine konkrete staatliche Regelung für den Job am Bildschirm fehlt bisher. Der Bund hat eine EU-Richtlinie zur Bildschirmarbeit nicht umgesetzt. Aber auch das Land Bremen rührt sich nicht, denn eine Landesverordnung würde nur die gewerblichen Arbeitsplätze einschließen, die Behörden, nicht-gewerbliche Betriebe und Freie aber nicht. Die Arbeitsschützer behelfen sich mit der Generalklausel der „Arbeitsstätten-Verordnung“, daß „allgemein anerkannte Regeln des Arbeitschutzes zu beachten sind“.

Doch das Problem mit der Bildschirmarbeit liegt eigentlich ganz woanders: Erstens bindet eine solche Verordnung nur die Gewerbebetriebe, nicht aber die Behörden oder Freiberufler. Gerade diese freien Berufe nehmen aber mit der Zunahme der elektronischen Arbeitsplätze am heimischen Herd zu: Gerade Bildschirmarbeiten werden zunehmend von freien MitarbeiterInnen zu Hause erledigt. Neben Sozial- und Tarifvereinbarungen fällt da erst recht der Arbeitsschutz hinten runter. Wer kann schon kontrollieren, ob der PC auf dem Küchentisch den Arbeitsschutz-Normen entspricht?

Eine anderes Problem macht den Arbeitsschützern noch viel mehr Kopfzerbrechen: Die Programme, nach denen die Rechner laufen. „Eine gemeine Software kann die Leute zum Wahnsinn treiben“, meint Reinders. Ganz abgesehen von der Möglichkeit der Kontrolle und der Arbeitsüberwachung durch den Arbeitgeber per Bildschirm sehen die Arbeitsschützer die Menschen vor den Bildschirmen dem Diktat der Software ausgesetzt, was Schnelligkeit und Genauigkeit der Arbeit angeht. Von einem Lösungsvorschlag sind die Arbeitsschützer noch weit entfernt: Schließlich hat jedes Büro seine eigene Software. „Wir haben eine Verwaltungsvorschrift dafür schon einmal diskutiert, aber es ist uns nichts Tolles eingefallen“,meint Reinders. Es bleibt bei einer Ermahnung an die Arbeitgeber, daß es sich auch finanziell nicht lohnt, die Angestellten am Bildschirm zu verschleißen, denn „die Arbeitgeber sind bei Krankheitskosten immer mit 50 Prozent dabei.“

Entwarnung geben die Arbeitsschützer und -mediziner allerdings bei der Frage, ob es krank macht, auf dem Arbeitsplatz in die Bildröhre zu gucken. „Es gibt keine medizinischen Erkenntnisse, daß bestimmte Krankheiten kausal eindeutig auf die Bildschirmarbeit zurückgehen“, sagt Klaas Reinders. Auch für den Landesgewerbearzt Frank Hittmann-Cammann gibt es keine Beweise, daß vom Bildschirm etwas Krankmachendes ausgeht: Magnetfelder und Röntgenstrahlen? Eine Schädigung von schwangeren Frauen durch Bildschirmarbeit, wie einst vermutet, habe sich in Tests nicht bestätigen lassen. Flimmernde Bildschirme, die die Augen schädigen? „Ein altes Märchen“, meint der Arzt: Augen würden vielleicht mehr angestrengt, kleine Sehfehler würden deutlich und durch die Anstrengung komme es zu Kopf- und Nackenschmerzen. „Aber es ist nicht zu beweisen, daß jemand auch nur einen Tag eher eine Brille braucht, weil er viel auf den Bildschirm sieht.“ bpo