Nachgefragt: Weder Brech- noch Abführmittel
■ Hamburg zwingt Kleindealer nicht zum Erbrechen, sondern läßt sie laufen
taz: Stimmt das, in Hamburg gibt man mutmaßlichen Drogendealern keine Brechmittel, damit sie verschluckte Drogenpäckchen ausspucken?
Rüdiger Bagger, Sprecher der Hamburgischen Staatsanwaltschaften: In den Fällen, wo mutmaßliche Klein- und Straßendealer mutmaßliche Betäubungsmittel verschlucken, haben wir uns mehrmals gefragt, inwieweit Brech- oder Abführmittel verabreicht werden sollen, einerseits, um wichtige Beweismittel sicherzustellen, andererseits eine Gesundheits- oder Lebensgefährdung ausschließen zu können. Denn wenn Heroinkügelchen im Magen platzen, dann sieht's mies aus.
Nach Einholung eines ärztlichen Gutachtens des Instituts für Rechtsmedizin wurde aber in Hamburg entschieden, daß Zwangsmaßnahmen, insbesondere wegen des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, nicht anzuwenden sind.
Welches Rechtsgut steht da gegen welches Rechtsgut?
Das ist ja ein Eingriff in die körperliche Unversehrtheit, wenn Sie Brechmittel geben, um eine Straftat aufzuklären. Nehmen Sie also mal an, da hat einer zwei Gramm Kokain geschluckt, mit dem er dealt – in Hamburg in St. Georg werden die Kügelchen ja aus dem Mund heraus gehandelt, vor allem von Farbigen...
Das tun überwiegend farbige Dealer?
Da ist das besonders üblich. Das hat sich aber auch in anderen Kreisen als bewährtes Mittel gegen das Entdecken durch die Polizei herumgesprochen, also um das Beweismittel zu vernichten. Heinz Rühmann hat sowas auch mal gemacht, was aufgegessen....
Einen Zettel. Aber nochmal zur Verhältnismäßigkeit...
Ja, es gibt also die Kleindealer, die mit den zwei Gramm Kokain, da halten wir Brech- oder Abführmittel nicht für verhältnismäßig. Was anderes ist es, wenn Sie am Flughafen einen Großdealer aus Kolumbien schnappen, der hat 250 Gramm Kokain oder Heroin in Stanniol und dann mit Präservativen, mit entsprechend Öl eingerieben, geschluckt.
Dann wird eine freiwillige Urinprobe abverlangt, da haben wir ganz gute Erfahrungen mit. Wenn diese Urinprobe positiv ist, wird der Beschuldigte geröntgt und anschießend unter ärztlicher Aufsicht im Krankenhaus Barmbek das natürliche Ausscheiden abgewartet. Ohne Abführmittel. Richterlicher Haftbefehl wird in der Zwischenzeit erwirkt.
Wenn der jetzt natürlich über Bauschschmerzen klagt, er also schon vergiftet ist, dann ist das nicht mehr eine Frage an Strafverfolgungsbehörden, dann gibt's nur noch eins: Notarzt und ab ins Krankenhaus. Da geht's aber nicht mehr um Beweissicherung, sondern nur noch um Leben und Tod.
Also: Bei kleinen Straßendealern sind Brechmittel unverhältnismäßig, die können natürliche welche haben, wenn sie wollen, weil sie vor einer Vergiftung Angst haben. Bei den größeren Dealern wäre es zwar nicht unverhältnismäßig, aber wir geben trotzdem keine Brechmittel, sondern lassen die natürliche Ausscheidung arbeiten.
Sie setzen also weder Klein-, noch Großdealer zwei Tage lang aufs Klo, damit anschließend Polizeibeamte im Kot nach den Kügelchen suchen können?
Nein, das ist einfach nicht verhältnismäßig. Sonst haben Sie ja hundert Leute auf dem Klo sitzen. Das muß nicht sein. So viel Klos haben wir nicht.
Fragen: Christine Holch
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