: Die Öko-Insel steht unter Strom
Klimagipfel: In der UFA-Fabrik, dem alternativen Musterprojekt Berlins, ist der ökologische Alltag mit eigener Stromerzeugung und Wasseraufbereitung keine Utopie mehr ■ Von Simone Miller
Egal ob beim kommenden Europapokalspiel in Leverkusen oder bei der heutigen Eröffnung des Klimagipfels: Die UFA-Fabrik, Berlins Renommieradresse unter den alternativen Projekten, will „Kultur dahin bringen, wo keine ist“. Sagt Juppi, dienstältester Kommunarde, und fegt aus Begeisterung über das Samba-Programm der UFA, das Fußballfans und Umweltexperten gleichermaßen in Hochstimmung versetzen soll, zum dritten Mal mit großer Geste die Kerzenständer vom Tisch im Café Olé auf dem UFA- Gelände. Doch in Sachen Ökologie hat die Wohn- und Kulturkommune noch mehr zu bieten als brasilianische Rhythmen: Auf dem Tempelhofer Gelände wurde in den letzten Jahren ein nachahmenswertes Ökoprojekt installiert.
Von der Konferenz erwartet Werner Wiartalla wenig. „Mit konkreten Ergebnissen rechne ich nicht“, sagt das Mitglied der UFA- Fabrik. Werner hat vor sechs Jahren seinen Job als Physiker bei Siemens gekündigt. Sein Gehalt habe sich bei der UFA zwar nicht gerade verbessert, dafür aber seine Lebensqualität, erzählt der 38jährige, der die ökologisch-energetische Technik auf dem Gelände neu organisiert hat.
„1982 haben die hier noch einen LKW in den Keller gefahren, auseinandermontiert und mit dem Dieselmotor Strom erzeugt“, erzählt Werner belustigt. Inzwischen versorgt sich die Kommune durch ein hauseigenes Blockheizkraftwerk, dessen Motorabwärme auch zur Beheizung von Duschwasser genutzt wird und so effektiv läuft, daß auch Strom ins öffentliche Netz eingespeist wird. Nur abends, wenn alle Bühnenscheinwerfer leuchten, kauft die UFA auch Strom aus dem Netz, der dann doppelt so teuer ist wie die Vergütung für den Strom, den man selbst umweltgerecht an die Bewag liefert.
In dem Wasserspeicher der UFA wird Regenwasser von den Dächern und Wegen aufgefangen und durch ein Pflanzenkiesbeet gefiltert. Die Mikroorganismen an den Wurzeln von verschiedenen Schilfsorten, Binsen und Wasserlilien sorgen für den Abbau der Schadstoffe im Regenwasser, das die Kommunarden für die Bewässerung von Grünflächen, für Toilettenspülungen und das Klarspülwasser an den Theken verwenden. Auch in den Rottetrommeln und Wurmkisten wird ohne chemischen Zusatz hochwertiger Kompost erzeugt, den die UFA für Grünflächen und Beete nutzt.
Neben natürlichen Recyclingmethoden orientiert sich das Kulturzentrum auch an den Errungenschaften moderner Öko-Technologie: Die Stromversorgung auf dem Gelände überwacht ein Leitrechner, der zudem eventuelle Störfälle in allen Gebäuden anzeigt. Als Beitrag zur regenerativen Energienutzung wird demnächst ein Windrad aufgebaut. „Es ist kein Argument, bei konventionellen Energieformen zu bleiben, weil sich in Berlin aufgrund der klimatischen Gegebenheiten Solar- und Windenergie angeblich nicht rechnen“, sagt Werner, der als erster Anwender ein neuentwickeltes Windaggregat, den „Schlitzrotor“, aufstellen will. Das Rad läuft im Gegensatz zum konventionellen Modell, das erst ab drei Windstärken in Schwung kommt, schon bei einer Windstärke an. Auch mit der Photovoltaik wollen sich die Fabrikler einen Traum erfüllen: Nach dem Motto „Umweltfreundlich Kultur genießen“ soll eine Solartankstelle errichtet werden.
Führungen von 28.3 bis 7.4., Kontakt: 75 50 31 23
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