■ Straßmanns kleine Warenkunde: Quargel
Historisches: Man schrieb den 26.10.1993. In der Redaktion einer kleinen Bremer Tageszeitung schob sich quietschend und stöhnend eine Pressemitteilung der Kulturbehörde aus dem Faxgerät . „So ein Quargel!“ brummte Kollege D., um diese Beurteilung umgehend in der Zeitung zu plazieren. Seit diesem Tag glaubt man in Bremen, „Quargel“ sei ein Synonym für Mitteilungen aus der Kulturbehörde.
Prähistorisches: Man schrieb den 29.11.1850. In Olmütz (Nordmähren) unterschrieben Österreich und Preußen die „Olmützer Punktation“, in der Preußen seinen Verzicht auf jegliche Fortsetzung der deutschen Unionspolitik erklärte.
Zusammenhang: Der Name „Olmütz“ ging in der Folge der Olmützer Punktation wie ein Lauffeuer um den Erdball. Ein kleiner Olmützer Käsemacher erkannte die Gunst der Stunde und bot sogleich auf dem Weltmarkt den sogenannten „Olmützer Quargel“ an, einen kräftig riechenden Sauermilchkäse der Harzer-Roller-Klasse. 1873 brachte ein durchreisender Kolporteur den fettarmen Handkäse ins oberbayerische Tittmoning. Der geschwätzige Mensch wurde jedoch bald wegen des wirklich kräftigen Geruchs des Quargels von den Einheimischen mit Steinwürfen vertrieben. Seitdem steht in dieser Gegend das Wort „Quargel“ für sinnentleertes Geschwätz, intellektuellen Dünnpfiff und verblasene Nichtigkeiten. Kollege D. schleppte den Terminus nach Bremen ein, wo er seine ursprüngliche Bedeutung verlor.
Quakenbrück: 1945 betrat ein Mensch namens Leonhard Reinschmidt das Stadtgebiet von Quakenbrück. Hinter sich her zog er einen Handwagen, darin mehrere Rezepte, Pressen, Handtücher, Schimmelpilzkulturen. Er kam aus dem Mecklenburgischen und blickte auf eine alte Käsereitradition zurück. Ohne sich lange aufzuhalten, begann er, bei den Quakenbrücker Landwirten Milch einzusammeln, um sie sauer werden zu lassen. Nach wenigen Wochen hängte er ein Schild vor seine dürftige Hütte: „Reinschmidts Olmützer Quargel“.
Stinkkäse: Quargel war immer der Käse der Armen. Emporkömmlinge fühlen sich vom kräftigen Geruch des Quargels gekänkt. Kenner sprechen vom „Duft“, der Klarsichtfolien durchdringt und an Hautpartien wochenlang haften bleibt. Cholesterinbewußte jubeln: „Quargel hat nur 1% Fett!“
Zwei Tips: Leonhard Reinschmidt iß Quargel so: „Unten dick Butter, oben dick Butter, plus Kümmel.“ Mit dem anderen Quargel wischen wir uns u.a. die Lippen ab. BuS
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen