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■ NormalzeitDas Tu-Gut-Feld verwissenschaftlichen

Dem wunderbaren Tunix- Kongreß folgte einige Jahre später der DKP-seicht-Kongreß „Tu Was!“ und nun zu Ostern ein autonomes „Tu-Gut-Treffen“. Die meisten Teilnehmer dachten jedoch überhaupt nicht daran, autonom zu denken. Statt der Schlechtigkeit der Welt ringsum wurde lieber die kleinste nichtökologische, nichtfeministische, nichtantifaschistische oder nichtantirassistische Äußerung im Inneren gegeißelt. Nicht einmal über den eigenen Rauswurf aus der Humboldt-Universität – durch Marlis Dürkop – ereiferte man sich.

Schon seit einiger Zeit wird über die Humboldt-Präsidentin gegrummelt: Sie versuche nur noch, ihre Zeit ohne großen Ärger rumzukriegen, ihre Statements sind stereotyp. Was ihr lästig ist, schafft sie sich vom Hals: zum Beispiel ein Projekt im Bereich Betrieblicher Umweltschutz, das erst der neue Westdekan der Wirtschaftswissenschaften abschob und das nun ganz abgewickelt wird. An anderer Stelle war schon davon die Rede gewesen, wie karrieristisch sich die ehemaligen Westlinken an den Ost-Unis verhalten – und zum Beispiel bei der Drittmittel-Akquirierung nicht einmal davor zurückscheuen, Politikberatung in Form von Aufstandsbekämpfung bei Betriebsschließungen (das war nach Bischofferode) anzubieten. Dieser Opportunismus bildet auch an der HUB das Atmosphärische.

Hinzu kommt bei der Dürkop, als Grüne, noch, daß diese Öko- Partei die Karrieristen nicht nur abschreckt, sondern sie geradezu anzieht. Ich rede nicht von den bei westdeutschen Urgrünen einst ob ihres Antiökologismus gefürchteten „Altlinken“ (Fischer, Koenigs, Dick etc.), die 1983 im Block eintraten, auch nicht von den hysterischen „Tschernobyl-Grünen“, aus den Jahren 86/87, sondern von all den nur allzu normalen Mädels und Jungs, die über den Oberschicht- Feminismus und den „Umweltschutz-Gedanken“ (das Joghurt- Becher-Recyceln) doch noch was Anständiges aus ihrem Leben machen wollen. Das ist die Hefe, aus der sich die Marlis Dürkops herausmendeln.

Man muß sich dazu nur noch mal die Abendschauszene anschauen, in der sie im Moment ihrer Wahl zur Präsidentin der Humboldt-Universität vom vormaligen Rektor Heinrich Fink beglückwünscht wird: Er streckt ihr freudig seine Hand hin, und sie nimmt sie eine halbe Sekunde lang – mit einem Gesicht, als hätte sie voll in die Scheiße gegriffen: wegen seiner IM-Geschichte natürlich. Dabei war Fink nun wirklich widerständisch und hat dabei nicht immer nur seine Karriere fest im Blick gehabt: Als Schüler von Emil Fuchs, der Ulbricht einst den Bausoldaten-Ersatzdienst abtrotzte, den Fink dann an der HUB später institutionell absicherte. Als Theologe und dann als der die Studentenschaft bedingungslos unterstützende Wenderektor, zuletzt und bis jetzt als PDS-Aktivist.

Wer heute Karriere machen will, geht nicht in die PDS, wohl aber zu den Grünen, und Dürkop ist da durchaus phänotypisch. Nehmen wir nur das Institut für Ästhetik bei den HUB-Kulturwissenschaftlern: Dort hatten etliche relativ autonom denkende „Spinner“ überlebt, bis zur Wende. Dann kam eine Berufungskommission unter der Leitung des Düsseldorfer „Goethe und Geld“-Experten Jochen Hörisch und berief bis auf einen all die Lacan rückwärts und vorwärts verwurschtelnden Uni-Combats in Crime aus Westdeutschland in die dort hochmodisch renovierten und mit High-Tech ausgerüsteten Lehramts-Etagen: unter anderen die feministische Theoretikerin von Braun und den V2-Forscher Adolf Kittler mit seiner „Daten-Autobahn“, hausintern auch „CD-Rommel“ genannt. Das ist die neue Autonomie der Lehre! Helmut Höge

wird fortgesetzt

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