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Frankreichs Rechtsradikale wählen alles

■ Auf der Großkundgebung der Front National in Paris zum 1. Mai gibt es sowohl Chirac- wie auch Jospin-Wähler – Parteiführer Le Pen hält sich da vornehm heraus

Paris (taz) – „Frankreich den Franzosen, das Elsaß den Elsässern“ skandierend, marschierten gestern rund 15.000 AnhängerInnen des Front-National-Chefs Jean-Marie Le Pen durch Paris. Wie alljährlich am 1. Mai sammelten sie sich am Denkmal für Jeanne d'Arc auf der Place de L'Opera, um ihrem Führer zu lauschen. Nachdem der Rechtsextremist im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahlen vor einer Woche sensationelle 15 Prozent der Stimmen bekommen hatte, erwarteten gestern Freunde und Feinde seine Wahlempfehlung für den zweiten Durchgang am 7. Mai.

Im Publikum stehen die meisten Wahlentscheidungen längst fest. „Chirac ist ein Verräter – ich stimme für Jospin“, sagt ein Marseiller Rechtsextremer. „Jospin ist ein Trotzkist – ich enthalte mich“, entgegnet eine Dame von der Fraktion der katholisch-traditionalistischen Abtreibungsgegner. „Der zweite Wahlgang interessiert mich nicht“, meint ein schwarzgekleideter Schüler in Springerstiefeln. Vor dem ersten Wahlgang war er in der Picardie einer der aktiven Plakatekleber; seit Le Pen ausschied, ist die Sache für ihn erledigt. Auch die junge Friseurin aus dem ostfranzösischen Besancon will sich im zweiten Wahlgang raushalten: Sie ist „hundertprozentig reine“ Französin, mag „die Araber und die Neger“ nicht und ist dafür, daß „alle nach Hause zurückgeschickt werden“. Le Pen ist „viel zu moderat“.

Eingehüllt in den Geruch nordafrikanischer Merguez-Würstchen skandiert die Menge ihre Parolen gegen Immigranten, gegen Europa und gegen die „Verräter der Altparteien“. Rechtsextremisten sind die Demonstranten nach eigenem Verständnis nicht. Sie nennen sich „Patrioten“, „Nationale“ oder – wie Le Pen – „Soldaten Frankreichs“. Aber für die bombenwerfenden Rechtsradikalen in Deutschland hat der eine oder andere schon Verständnis: „Wenn die Politik nicht weiter hilft“, sagt ein Jugendlicher aus dem Norden, „dann muß man eben gewalttätig werden.“ Am Ende zieht es Le Pen vor, die Spannung noch eine Weile zu halten.

Den Neogaullisten Jacques Chirac bezeichnet der Führer als „schlimmere Variante des Sozialismus“ und „Wendehals“; den Sozialisten Lionel Jospin, der das auch von Le Pen gewünschte Verhältniswahlrecht einführen will, geht der Rechtsextreme zwar vorsichtiger an, doch nennt er beide Männer „Kandidaten des Auslandes“. Erst nach der Fernsehdiskussion der beiden verbliebenen Kandidaten, die heute abend stattfindet, will Le Pen bekanntgeben, für wen er persönlich stimmen wird – so er überhaupt zur Urne geht. Dorothea Hahn

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