: Wer deckt den Grauhaarigen
■ Eine Bremer Fußball-Legende hat Geburtstag: der „Bunte Sturm“ wird 20 Jahre alt
Alles hat so vor 20 Jahren angefangen, sagt Manni, und Manni muß es wissen, denn Manni ist das wandelnde Fußballexikon. Er kann mit verbundenen Augen die Borussia-Meisterelf von dreiundsechzig herbeten, sagen seine Mannschaftskollegen. Aber vor 20 Jahren, als alles anfing, da war Manni noch nicht dabei. Trotzdem, als Fußballgelehrter weiß man sowas. Also vor 20 Jahren, da war die Geburtsstunde einer Fußballegende, einer Traditionsmannschaft, deren Ruhm in den letzten beiden Dezennien weit über die Theken Bremens hinaus getragen wurde. Da trafen sich ein paar junge Männer auf dem Kuhhirten, die einte zweierlei: Irgendwie links waren sie alle, und ganz bestimmt wollten sie kicken. Und heute treffen sich jeden Freitag und Sonntag ein paar nicht mehr ganz so junge Männer auf dem Kuhhirten oder in der Uni-Halle, die eint vor allem eins: Die letzten 20 Jahre. Der „Bunte Sturm“ wird dieses Wochenende 20 Jahre alt, und feiert sich erstens mit einem Turnier, wo es zum Beispiel gegen so spielstarke Mannschaften wie „Fortuna Unglück Gelsenkirchen“ geht, und zweitens mit einem Fest im Bürgerhaus Weserterrassen, wo es gegen die Biervorräte geht. Und ein Überraschungs-Kulturprogramm mit Gaststars soll es auch geben, aber das darf nicht verraten werden. Alles klar, Manni, versprochen.
Das mit dem Alter ist schon so ein Problem. Der Älteste ist jetzt 57, bei einem Kader von rund 30 Leuten sind nur zwei sind unter vierzig („Das sind unsere Jugendbeauftragten“), das Durchschnittsalter liegt bei 46,4 („ungefähr“). Die bunten Stürmer sagen das in ihrer ganz theoretisch-fundierten Art (viele Akademiker!): „Die Diskrepanz zwischen Kopf und Körper ist größer geworden“. Aber das macht kaum was, man wird ja gemeinsam älter. Nur beginnt dann auch der Altersstarrsinn: „Hitzköpfe mit 42, 43 Jahren, die änderst Du auch nicht mehr.“
Kaum vorstellbar, daß eine Alternativ-Fußballtruppe („Thekenmannschaft lehnen wir ab“) so lange Zeit ohne größere Umbrüche beisammenbleibt. Ist aber so. Nebenbei ganz im Gegensatz zum „Roten Stern“, der auch 20 wird dieses Jahr. „Wir machen ja auch Nachwuchsarbeit“, sagt Pelle vom Roten Stern, auch schon 40: „Gemerkt hab ich das, als einer von den Gegnern gesagt hat ,wer deckt denn den Grauhaarigen?–, und da hat er mich gemeint.“ Aber seine Truppe spielt in der „Wilden Liga“, da fordert die Jugend, die sich der „Bunte Sturm“ nicht mehr antun will. Gespielt wird auch schonmal gegen andere, auch Turniere, wie letztes Jahr die Deutsche Alternativmeisterschaft. 19. Platz von 24 Mannschaften aber nur wegen dem pädagogisch-friedensbewegt-alternativ-emanizipatorisch ausgefeilten Aufstellungssystem. Die Frage der Fragen seit 20 Jahren: Stellen wir die Mannschaft nach Spielstärke zusammen oder sollen alle spielen dürfen. Der Bunte Sturm hat sich für Variante B entschieden, sonst wären sie vielleicht noch 18. geworden.
Wer kennt die Namen, zählt die Trophäen (eine), erzählt die Legenden (unendlich)? Zum Beispiel als beim Frankfurter Ostpark-Turnier der Spieler Mützelburg von einem Schiedsrichter namens Joschka Fischer („Auf dem Feld war der mehr ein Bierdeckel-Artist“) nach vier Spielminuten wegen grobem Foulspiels vom Platz gestellt wurde (Mützelburg heute: „zu recht!“). Oder als der Spieler Cohn-Bendit von der Außenlinie den Schiedsrichter vom Bunten Sturm anpöbelte („Du Arsch“) und hernach eine minutenlange Debatte („Dann hab ich keine Lust mehr“) entbrannte. Die Frankfurter spielten übrigens nach Aussage des Ex-Frankfurter Ostpark-Linksaußen Manfred Morgenstern sowieso nach der Devise: „Wer am lautesten schreit, setzt sich durch“. Womit bewiesen wäre, daß Fußball doch eine Schule für alles mögliche ist. Oder als die Bremer beim Anstoß zum ersten Spiel nur zu sechst waren, weil sie am Abend zuvor in einer Bornheimer Kneipe (Wirtin: Lulu Schwarz) zu viel Äbbelwoi getrunken hatten und am Morgen nicht mehr vom Klo runterkamen (Äbbelwoi-Schiß). Oder, oder.
20 Jahre Fußball und danach in die Gastwirtschaft und gemeinsame Ausflüge und Urlaube und Auswärtsspiele (Italien, England, Türkei, Rot-weiß Appelhülsen), und die Demos. „Weil wir in Brokdorf nicht mit einem blöden Pappschild rumlaufen wollten, haben wir uns eine „Bunter Strum“-Fahne gemacht.“ Und als einmal die Frage „Ostpark oder Bombenzüge blockieren?“ anstand, da kam es auch klassisch-links zum Kampf zweier Linien. Die Mehrheit war für Spielen. Einmal hat die Mannschaft vor der Blockade der Carl-Schurz-Kaserne in Bremerhaven (Die Älteren werden sich noch erinnern) ein gewaltfereis Training geübt. Bloß sollte das direkt vor dem Hallenspiel stattfinden. „Und da war die Halle und der Ball und die Tore, und dann kam es auch: –Wer das lernen will, wie man sich wegtragen läßt, kann das ja in der Nebenhalle machen. Die anderen können ja schonmal spielen–.“ Ganz getreu der Bunten-Sturm-Fußballweiasheit, die über 20 Jahre gehalten hat: „Ball, rund, muß ins Tor.“ J.G.
Das Jubiläumsturnier beginnt am Samstag um zehn auf dem Kuhhirten, Endspiel: 14.30 h; der Ball im Bürgerhaus beginnt um acht.
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