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■ Wie tote Soldaten heimkehren: Rund um den ZinksargHarte Hülle, weicher Kern

Gesteifte Uniformen aus Zink – für die stille Heimkehr aus Bosnien – sind auf der Hardthöhe kein bevorzugtes Thema. „Es ist noch ein bißchen früh“, wehrt der Sprecher des Verteidigungsministeriums, Oberstleutnant Rönsch, Fragen über Zinksärge für den Ernstfall ab. „Wir haben so viele wichtige Dinge zu tun, daß wir uns auf anderes beschränken.“ Dabei ist die Sargfrage doch auch wichtig, etwa für die potentiellen Leichen und deren Angehörige. Spätestens wenn ein Tornadopilot vom Himmel geholt oder ein Bundeswehrsanitäter als Geisel hingerichtet wird, könnte sich das Problem einer sauberen Rückführung stellen. Dann aber sollten alle Vorbereitungen längst gut getroffen sein. Ist dies Volker Rühes Mannschaft wirklich klar?

Auf die Eventualitäten einer Rückführung haben sich zum Beispiel die Bestatter der Berliner Firma Grieneisen spezialisiert, stete Mahner in Sachen Vorsorge. Für rund 1.000 Mark bieten sie Zinkeinsätze zu einem Holzsarg an, der in seiner schlichtesten Ausführung 800 Mark zusätzlich kostet. Zink ist mit einem Schmelzpunkt von 419,6 Grad Celsius leicht zu verlöten (Lötzinn!) und deshalb weltweit bevorzugtes Material für den luftdichten Transport auch von toten Soldatenkörpern. Von außen dringt nichts nach innen, von innen nichts nach außen. Den sogenannten Einsatzsarg, der nur millimiterdick ist, bietet Grieneisen in zwei Größen an: Die Normgröße bis 1,84 Meter kostet 180 Mark weniger als die 20 Zentimeter längere Übergröße für 1.351 Mark inklusive MwSt.

Doch sollte Rühes Ministerium keinesfalls das Angebot von SARG-Discount vergessen („Eine Bestattung muß kein Vermögen kosten!“) Die Rücküberführung aus Split, sagt Discounter Döblin, beträgt „alles komplett“ maximal 5.500 Mark, Feuerbeisetzung mit Verbrennersarg, Schmuckurne, Blumentuff, Redner und Organist inbegriffen. Beim Verlöten des Sarges in Split werden allerdings die Zollbehörden zugegen sein, um zu gucken, „daß da nicht der Karadžić drinne is“ (Döblin). Den Zinksarg als solchen jedenfalls veranschlagt das Unternehmen mit nur 500 Mark. Wohlgemerkt, nicht allein Abstriche bei der Sozial- und Arbeitslosenhilfe leisten einen Beitrag zur Konsolidierung von Theo Waigels Haushalt. Mit SARG-Discount wird preiswerter gestorben.

„Zinkeinsätze sind wie eine zweite Haut von innen“, weiß man in der Bestatterszene. Da diese Haut aber so gar nicht welken will, ist die Bestattung in Zinksärgen nicht gestattet. „Zink verrottet nicht“ (Bestatterjargon) – im Unterschied zu menschlichen Gebeinen. Und weil die Zeit, in der ein Leichnam „vergangen“ sein muß, beispielsweise in Berlin 20 Jahre beträgt, heißt es vor der letzten Fahrt in die Grube: umbetten. Der sorgfältig verschlossene Metallbehälter muß wieder entsiegelt werden, um anschließend seinen Inhalt in einem Holzschrein mit unbehandelter Oberfläche unterzubringen.

Werdegang eines jeden Uniformierten, der heutzutage, dahingegangen, in sein Heimatland zurückkehrt. Zinksärge eignen sich bestens zur Recyclingware, denn sie verschwinden nicht auf Nimmerwiedersehen im Erdreich. Ist der tote Soldat erst einmal aus ihnen entfernt, werden sie der Wiederverwertung zugeführt, das heißt eingeschmolzen. Der Kreislauf von Werden und Vergehen kann abermals beginnen.

Ja, Zink ist ein lebenswichtiges Metall. Als Spurenelement ist es in 200 Enzymen vorhanden. „Zink spielt eine wichtige Rolle bei der Wundheilung“, steht im Römpp Lexikon Umwelt, „man nimmt an, daß Vitamin A als wesentlicher Faktor der Gewebeheilung nur in Gegenwart ausreichender Zinkmengen verwertet werden kann.“ Ein Umstand, der den in Zinksärgen verfrachteten Armeeangehörigen aus nachvollziehbaren Gründen nicht zugute kommt. Weiter im Römpp: „Nach Auffassung der Weltgesundheitsorganisation benötigt der Erwachsene täglich 22 Milligramm Zink.“ So gesehen stellt die Zinkummantelung eine immense Überdosierung dar. Aber selbst die 50.000fache Konzentration des schwach toxischen Schwermetalls dürfte den auf ewig müde gewordenen Kriegern ebensowenig etwas anhaben wie der chemische Kompagnon von Zink, das krebsauslösende Chrom.

Doch so viele Hintergrundinformationen es über den Rückführungssarg und sein Material bisher auch geben mag – zu entscheidenden Fragen bleibt das Bonner Verteidigungsministerium Antworten schuldig. Zu welchem Stückpreis werden die Bundeswehrzinksärge bezogen? Wie viele Zinksärge sind bereits in Bosnien stationiert? Was wird die Rücküberführung pro Soldat kosten? Und schließlich: Wer übernimmt die Aufwendungen der (Norm?-)Bestattungen, nachdem die feierlichen Staatsbegräbnisse ein Ende haben? Oder hat man hier etwa nicht mit kühlem Kopf geplant und kalkuliert? Wie aber wollte dann Minister Rühe vor den gestrengen Augen des Bundesrechnungshofes bestehen?

Zum Abschluß noch eine Warnung an Amateurmakler, die auf steigende Zinkpreise spekulieren, wenn es tote Multinationale in Bosnien gibt. Sie werden sich wohl verrechnen. Die taz hat die Chancen für das morbide Rohstoffspiel mal überschlagen. Ungeführ 550.000 Tonnen Zink werden derzeit allein in der Bundesrepublik verbraucht (Preis pro Tonne etwa 1.030 Dollar). Geht man davon aus, daß erst eine jähe Nachfragesteigerung um mindestens fünf Prozent zu spekulativen Preisschüben führt, die satte Gewinne abwerfen, müßten 25.000 Tonnen mehr Zink für Särge verlangt werden. Wenn man pro dünnem Blechsarg zwei Kilogramm Zink rechnet, wären dafür allein in Deutschland 12,5 Millionen Gefallene nötig. Das klingt eher nach Drittem Weltkrieg. Die schnelle Sargmark ist also allein mit dem Bosnienkrieg nicht zu machen. Thomas Worm

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