■ Pyrrhussieg im "Holzschutzmittelprozeß". Die Desowag-Manager werden sich nicht lange am für sie günstigen Ausgang des Revisionsverfahrens erfreuen können. Denn daß Holzschutzmittel die Gesundheit schädigen können, ist unumstritten.: Gelack
Pyrrhussieg im „Holzschutzmittelprozeß“. Die Desowag-Manager werden sich nicht lange am für sie günstigen Ausgang des Revisionsverfahrens erfreuen können. Denn daß Holzschutzmittel die Gesundheit schädigen können, ist unumstritten.
Gelackmeierte sind nicht ganz chancenlos
Um die Gesundheit Tausender Menschen geht es eigentlich, aber die obersten Bundesrichter interessierten sich nur für einen Sachverständigen. Professor Wolfgang Huber hatte, als das Frankfurter Landgericht 1989 das Verfahren gegen mehrere Manager von Holzschutzmittelfirmen nicht eröffnen wollte, in einem Brief die Staatsanwaltschaft ermutigt, „nicht locker zu lassen“. Er bot auch gleich seine Hilfe an.
Der Mann ist engagiert und hilfsbereit, könnte man meinen. Weit gefehlt: Befangen ist er, befand der Bundesgerichtshof und wies den Fall zurück dahin, wo er herkommt: an das Frankfurter Landgericht. Die dortigen Richter hatten sich auf das Gutachten Wolfgang Hubers gestützt, als sie im Mai 1993 zwei ehemalige Geschäftsführer der Holzschutzmittelfirma Desowag zu einem Jahr Haft auf Bewährung und einer Geldbuße von 240.000 Mark verurteilten. Fritz Hagedorn und Kurt Steinberg hätten „grob fahrlässig“ gehandelt und sich der Freisetzung von Giften schuldig gemacht.
Von Angstzuständen über Ekzeme, Gelenkschmerzen und Leukämie bis Zittern reichen die Symptome, über die Anwender von Holzschutzmitteln klagen. Helga und Volker Zapke, die 1972 liebevoll ein Fachwerkhaus renovierten und dabei an die 100 Liter Holzschutzmittel verstrichen, sahen nur noch einen Ausweg: Sie zogen 1983 aus und gründeten die Interessengemeinschaft Holzschutzmittelgeschädigter (IHG). Damit brachten sie den Stein ins Rollen, der zum größten Umweltprozeß in der deutschen Geschichte führte.
Die Erkenntnis, daß PCP und auch das ebenfalls in Holzschutzmitteln verwendete Insektizid Lindan Gesundheitsschäden auslösen, ging auch an den Desowag-Managern nicht vorbei. Dokumente von 1977 belegen, daß die Führungskräfte sehr wohl wußten, daß sie der Bevölkerung hochgiftigen Sondermüll verkauften. Aber, so vermerkt ein streng vertrauliches Protokoll, man werde sich nicht rühren, „solange noch die alte Ware auf dem Markt ist“.
Nicht mal einen Warnhinweis über mögliche Gesundheitsschäden druckte die Desowag auf ihre Produkte Xylamon und Xyladecor. „Wenn wir die Packungen ändern, machen wir doch im nachhinein auf die Giftigkeit aufmerksam“, mahnte Geschäftsführer Fritz Hagedorn. Erst 1978 wurde auf PCP verzichtet.
2.300 Strafanzeigen von erkrankten Nutzern von Holzschutzmitteln wurden danach erstattet. Von 1984 an hatten die Behörden gegen insgesamt 40 Chemiemanager ermittelt, 654 Seiten dick war die 1989 eingereichte Anklageschrift. Doch das Frankfurter Landgericht wies die Klage einfach ab: Es sei ganz und gar chancenlos, den Nachweis zu erbringen, daß wirklich das PCP für die Erkrankungen verantwortlich ist.
Damals half der Bundesgerichtshof. Manager der Firma Erdal, deren Lederspray Gesundheitsschäden bis hin zu Lungenödemen ausgelöst hatten, wurden zu ein bis anderthalb Jahren Freiheitsstrafe und hohen Geldbußen verurteilt. Erstmals wurde damals festgelegt, daß es genügt, die Schädlichkeit eines Produkts mit hinreichender Plausibilität nachweisen zu können – bahnbrechend für künftige Umweltprozesse. Ein wissenschaftlicher Nachweis der Kausalität sei nicht erforderlich.
So konnte 1992 der Holzschutzmittelprozeß also beginnen. Das Urteil im darauffolgenden Jahr war ein gewaltiger Sieg für die Geschädigten. Sie konnten sich nun bei zivilen Schadenersatzprozessen gegen alle möglichen Hersteller von Holzschutzmitteln auf das Frankfurter Urteil berufen, teilweise bereits mit Erfolg. So mußten in einigen Fällen Hersteller von Fertighäusern Schadenersatz zahlen.
Die mehreren tausend Zivilklagen, die deutschen Gerichten vorliegen, sind mit dem BGH-Urteil nicht chancenlos geworden. Die Ex-Desowag-Manager und ihre Verteidiger werden sich vermutlich auch nicht allzu lange an dem für sie günstigen Ausgang des Revisionsverfahrens erfreuen können. Denn in der entscheidenden Sache haben die Bundesrichter nichts an dem Urteil des Frankfurter Gerichtes auszusetzen: Der „wissenschaftlich exakte Nachweis“ zur Wirkung der Holzschutzgifte auf die menschliche Gesundheit, den die Verteidiger der Angeklagten gefordert hatten, muß nicht erbracht werden. Selbst ohne Einigkeit unter den Gutachtern könnte das Frankfurter Gericht „fehlerfrei“ urteilen, daß Holzschutzmittel in bestimmten Fällen zu Gesundheitsschäden geführt haben. Nicola Liebert
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