: Wenn aus Kurzstrecke ein „shot trip“ wird
■ Ausländische Kunden der Verkehrsbetriebe sind zumeist ganz auf sich allein gestellt. Fremdspachenkundige Mitarbeiter kann sich die BVG „nicht leisten“.
Kundenbetreuung wird bei der BVG großgeschrieben. „Service hat für uns einen zunehmend größeren Stellenwert, weil der Wettbewerb wächst“, erklärt BVG- Pressesprecher Klaus Wazlak. „Der Fahrgast soll nicht nur ein ,Unternehmensbeförderungsfall‘ sein, sondern sich als Kunde wohl fühlen.“
Doch wer der deutschen Sprache nicht mächtig ist, wird von einer geschäftsfördernden Freundlichkeit der BVG wenig spüren. Nicht nur türkische Mitbürger und Einwanderer aus Osteuropa, sondern auch Touristen aus dem westlichen Ausland verzweifeln an Fahrplänen und Fahrkartenautomaten, die nur in Deutsch oder schlechtem Englisch beschriftet sind. So strotzte die kürzlich angebrachte englische Übersetzung der Bedienungsanleitung auf den Fahrausweisautomaten der S-Bahn nur so von Fehlern – aus Kurzstrecke wurde „shot trip“!
Selbst am Zoologischen Garten gibt es kaum fremdsprachliche Hinweise für ausländische Fahrgäste. Das Informationszentrum der BVG ist hier auf der Mittelinsel des Hardenbergplatzes, an der Kreuzung Hardenbergstraße, untergebracht. „Habla Español? Parlez vous Français“? – Fehlanzeige. „Do you speak English?“ „A little“, antwortet der BVG-Angestellte. Um keine Mißverständnisse über seine Sprachkenntnisse aufkommen zu lassen, hebt er lieber gleich Daumen und Zeigefinger in die Höhe, zwischen denen er demonstrativ gerade mal einen Zentimeter Platz läßt.
Auf dem U-Bahnhof Zoologischer Garten sind immerhin mehrere „Fahrgastbetreuer“ postiert. Diese ABM-Kräfte, wegen ihrer Bekleidung auch „graue Mäuse“ genannt, sollen vor allem Auskunft über mögliche Fahrverbindungen erteilen. „Excuse me. Where are toilets?“ fragt eine ältere Dame in gebrochenem Englisch. Der Fahrgastbetreuer fuchelt hilflos mit der Hand in Richtung Treppe und sagt nur: „Up, on the air.“
Sind die Touristen mit U- oder S-Bahn unterwegs, dann sind sie meist ganz auf sich allein gestellt. Marc Schrader, ein 24jähriger australischer Traveller, schimpft auf die Organisation der Berliner Verkehrsbetriebe. Vor einigen Tagen war er mit der letzten S-Bahn am Bahnhof Ostkreuz gestrandet. Vom Zoo wollte er zum Bahnhof Tiergarten, hatte aber übersehen, daß die Station auf dem Fahrplan schwarz markiert war – „zur Zeit kein Halt von S-Bahn-Zügen“. Erst am Ostkreuz bemerkte er, daß er viel zuweit gefahren war.
Der BVG sind diese Mängel bekannt, dennoch unternimmt sie wenig. „Diese Probleme sind schwierig für uns zu lösen, weil wir uns mehrsprachig geschultes Personal nicht leisten können“, sagt BVG-Pressesprecher Wazlak. Außerdem würden auf den Flughafenlinien bereits BVG-Angestellte eingesetzt, die Fremdsprachen beherrschen.
Eine Möglichkeit bleibt dem des Deutschen unkundigen BVG- Gast aber noch: Auf den meisten Bahnhöfen der Linien 8 und 9 gibt es seit einigen Monaten SOS-Notruf- und Informationssäulen, wo auf Anfrage der richtige Weg auch auf englisch gewiesen wird. Nur leider geht die genaue Beschreibung meist im Rattern der einfahrenden Züge unter. Ole Schulz
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