: Ökobau in Berlin – Utopie?
Konzepte zum ökologischen Bauen gibt es in Hülle und Fülle, doch die Umsetzung läßt auf sich warten / Neuer Kriterienkatalog entwickelt ■ Von Ursula Dohme
Ökologisch liegt in Berlin manches im argen. Zwar gibt es Förderanreize, mittels deren PVC-Fenster und -Fußböden zugunsten von umweltverträglicherem Linoleum zurückgedrängt werden. Und doch werden nach einer Untersuchung von Greenpeace sogar bei öffentlichen Berliner Bauten FCKW-haltige Dämmstoffe verbaut. Das widerspricht der Senatsrichtlinie.
Das Projekt „Wasserstadt Oberhavel“ im Norden Spandaus zum Beispiel war als Vorzeigemodell geplant. Dennoch wurde nicht ökologisch bestmöglich gestaltet: Zuviel Uferbebauung, zu viele Stellplätze, zuviel Oberflächenversiegelung verschlechtern die Ökobilanz. Zwar ist extensive (Dach-)Begrünung geplant, ein Energiesparkonzept aber wurde nicht entwickelt. Hier scheint eine Chance für den ökologischen Stadtumbau vertan. Das zumindest befindet das Umweltmagazin Grünstift in seiner neuesten Nummer.
Ideen für ökologisches Bauen in Berlin gibt es viele. Ihre Umsetzung jedoch ist unterschiedlich. Fast jeder Bezirk kann ein Ökohaus vorzeigen – oft noch aus den guten alten Zeiten der Internationalen Bauausstellung (IBA) in den 80er Jahren. In Pilotprojekten wurden zwar vielfältige Erfahrungen gesammelt. Aber bisher mangelt es noch an einer gemeinsamen Auswertung und Umsetzung.
Das Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung (IZT) hat deshalb versucht, die Kriterien für ökologisches Bauen zu optimieren, damit ein „ökologischer Nettogewinn“ gewährleistet werden kann.
Kriterien für den Ökobau
Es fängt bei der Berücksichtigung natürlicher Gegebenheiten, der Sicherung der Artenvielfalt von Flora und Fauna am Standort, an. Die Bauweise sollte flächensparend sein; das gilt auch für die Erschließungssysteme. Dann bleibt genügend Freiraum für die Gestaltung von Grünräumen unter stadtklimatisch und lufthygienisch guten Bedingungen. Die Ausstattung der Gebäude mit energie-, wassersparenden und abfallvermeidenden Technologien versteht sich von selbst. Darüber hinaus sollten auch Baustoffe und -materialien umweltverträglich und gesundheitsfreundlich sein und problemlos zu entsorgen. Die Ver- und Entsorgungsstruktur muß möglichst standortnah sein. Die Baukörper sollen nach energetischen Gesichtspunkten ausgerichtet sein, das heißt, die Breitseite sollte nach Süden zeigen.
In ein ökologisches Gesamtkonzept müssen auch Maßnahmen zu Lärmvermeidung und Lärmschutz einbezogen werden. Auch wirtschaftliche Gesichtspunkte dürfen nicht unter den Tisch fallen. Soziologisch wird's bei der geforderten Mischung von Wohnen und Arbeiten (mit dem Pluspunkt Vermeidung von Individualverkehr) und bei der Einbeziehung der späteren „Nutzer“ in die Planung und Erstellung ökologischer Bauprojekte.
Egal ob es sich um Neu- oder Altbau, Einzelhaus oder Siedlung, Wohnungs- oder Gewerbebau handelt, es gibt inzwischen für alles maßgeschneiderte, erprobte Ökolösungen. Das IZT hat eine Art „in“-/„out“-Liste erstellt. Die „out“-Liste führt alle unbedingt zu vermeidenden Baumaßnahmen auf, wie beispielsweise PCP-haltige Holzschutzmittel.
Die „in“-Liste umfaßt den sogenannten Mindeststandard, der über das gesetzliche Minimum weit hinausgeht, aber auf ausgereifter und finanziell gut vertretbarer Technik beruht. Darüber hinaus existiert der Sekundärstandard, der nicht marktgängige, das heißt kostenintensive, zum Teil noch experimentelle Lösungen beinhaltet. Die flächendeckende Realisierung der Mindeststandards läßt nach IZT bald alte Sekundärstandards als neue Mindeststandards nachrücken, neue Sekundärstandards können dann entwickelt werden.
Heizung überflüssig
Noch sind beispielsweise Niedrig- Energie-Häuser noch nicht bis in alle Architektenbüros vorgedrungen, schon ist die Entwicklung eines Null-Energie-Hauses zu bestaunen. Der Münsterländer Klimatechniker Rolf Waltermann hat sein Null-Energie-Haus nach zweijähriger wissenschaftlicher Erprobungsphase zum Patent angemeldet. Ein ausgeklügeltes System von Solarkollektoren, Warmwasserspeicher, Photovoltaik- und Wärmerückgewinnungsanlage sowie vierfache Verglasung haben es möglich gemacht. Der kleine Kachelofen als Nottherme konnte jeden Winter kalt bleiben. Zudem bietet die Vierfachverglasung völligen Lärmschutz auch bei naher Autobahn. Angesichts der Tatsache, daß bundesweit 40 Prozent des Treibhausgases Kohlendioxid von Haushalten, vor allem beim Heizen, produziert werden, sollte eine Entscheidung nicht schwerfallen.
Der Naturhausarchitekt Ulrich Peickert und der Rechtsanwalt Schmidt-Wottrich wollen aktive und passive Sonnenenergienutzung, Regenwassernutzung, Grauwasserrecycling , Kompostierungsanlagen, Dach- und Fassadenbegrünung und andere umweltfreundliche Maßnahmen mit einem „Ökobonus“ belohnen.
Handfester Vorteil: Der Ökobonus würde eine größere Grundflächenzahl und eine höhere Geschoßflächenzahl zulassen. Dementsprechend würde die Grundstücksauslastung maximiert, und auch Ökoprojekte wären rentabel. Das sollte, so Peickert, in der Baunutzungsverordnung festgeschrieben werden – als Anzreiz für private Investoren.
An diesem Konzept haben die Bundestagsfraktionen, bis auf die FDP, Interesse signalisiert. Peter Foerster-Baldenius, Leiter des Referats für ökologisches Bauen im Bausenat, glaubt nicht daran. Bausenator Nagel ist sich sicher: „Man kann viel mehr machen, als wir tun“, äußerte er gegenüber dem Magazin Grünstift, „aber nicht unter den gegenwärtigen politischen Rahmenbedingungen in Berlin.“
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