: Bells Riesenbabys
■ US-Telefonmarkt soll liberalisiert werden / Clinton will sein Veto einlegen
Berlin (taz) – Das amerikanische Repräsentantenhaus möchte das Urteil eines Provinzrichters revidieren. Es hat am Freitag abend mit der deutlichen Mehrheit von 305 Jastimmen ein Gesetz angenommen, das den amerikanischen Telekommunikationsmarkt weitgehend liberalisieren will. Vor allem sollen die regionalen nicht mehr von den überregionalen Telefondiensten getrennt werden.
Präsident Bill Clinton hält es dagegen lieber mit dem braven Richter Harald Greene, der im Jahr 1984 entschied, daß Orts- und Regionalgespräche zur Grundversorgung amerikanischer Bürger und Bürgerinnen gehören. Daher müßten sie vor dem Preisdiktat der weltweit operierenden Gesellschaft AT&T geschützt werden. Insgesamt 22 sogenannte Baby Bells bieten seither Nah- und Regionalgespräche zu festgelegten Preisen an. AT&T, MCI, Sprint und einige kleinere Gesellschaften teilen sich den freien Markt für Ferngespräche.
Republikaner und auch etliche Demokraten verweisen darauf, daß in diesem Sektor die Gebühren drastisch gefallen seien. Das Reformgesetz würde nun auch die Preisbindungen der Regionalgesellschaften aufheben. Außerdem sollen sie neben Telefongesprächen auch Kabelfernsehprogramme übertragen und Ferngespräche vermitteln dürfen.
Die Baby Bells ihrerseits müßten anderen Telekommunikationsgesellschaften den Zugang zu ihrem bisherigen Monopolbezirk gestatten. Verbraucherorganisationen befürchten allerdings, daß die Grundversorger genau das verhindern werden. Die Fusionen der Mediengiganten Disney und ABC einerseits und Westinghouse und CBS andererseits haben den Kritikern Auftrieb gegeben. Die beiden Superkonzerne könnten mit ihrer Angebotsübermacht die regionalen Telefongesellschaften beherrschen und ihnen die Kabelgebühren diktieren.
Bill Clinton hat gegen das Gesetz ein Veto angekündigt, das angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Kongreß kaum Chancen hat – ein ähnliches Liberalisierungsgesetz hat der Senat schon im Juni beschlossen. Die Zweidrittelmehrheit, mit der das Veto des Präsidenten aufgehoben werden kann, dürften die Reformbefürworter leicht zusammenbekommen. nh
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