: Eine junge Frau will nicht länger Superstar sein
■ Vierte Goldmedaille hin, lila Kühe her: Franziska van Almsick hat Probleme
Nichts haßt Franziska van Almsick (17) mehr, als wenn einer sie Franzi ruft. Allein das Problem ist: Die Zeitungen nennen sie so, die Fernsehreporter kommen mit ihrem offenbar begrenzten Vokabular nicht hin, ohne in der Minute geschätzte 8,7mal das Unwort auszusprechen. Schlimmer: Ein ganzes Land ruft Franzi.
Franziska van Almsick ist inzwischen routiniert. Zwar hat sie sich bei Sat.1 nicht als Plauderin durchgesetzt. Aber man hat ihr beigebracht, wie man mit vielen schönen Worten nichts sagen kann. Sie hat schnell gelernt. Und weil sie sich entschlossen hat, die Sache durchzuziehen, spielt sie eigentlich geduldig mit.
Doch in diesen Wiener Tagen ist deutlich geworden, daß es nicht sie ist, die spielt. Sondern daß – die Millionen, die sie seit Barcelona verdient hat, hin oder her – mit ihr gespielt wird. Nach dem Vorlaufaus über ihre Spezialstrecke, die 200m Kraul (und nachfolgender Bestzeit im B-Finale, drei Sekunden schneller als Europameisterin Kielgaß), hat man alles deutlich wie nie zuvor gesehen.
Mit roten Augen und immer dünner werdender Stimme hat sie versucht zu erklären, was ihr Problem ist: „Es ist ziemlich schwer“, sagte sie, „in einen Wettbewerb zu gehen, wenn Massen von Leuten festgelegt haben, was ich erreichen muß. Wenn ich nicht gewinne, bin ich der Loser der Nation.“
Und dann kam jener Satz, der womöglich zu dem gehört, was von diesem Jahrhundert bleiben wird. Das mag das Problem des Jahrhunderts sein, aber es ist auch das Problem van Almsicks. Ein Problem, das auch das dritte und vierte EM- Gold gestern in Wien nicht abstellen kann. Im Gegenteil: „Ich bin kein Superstar“, sagte das Mädchen entnervt, „ich will auch keiner sein.“
Doch was hilft's? Nun schmieren sich Verband (enttäuscht) und ihr Manager Werner Köster (besorgt ums Image) unfeine Dinge um die Bärte. Nun frohlockt im stillen die neidische nationale Konkurrenz („Die lila Kuh hat Rinderwahn“). Und van Almsick bleibt nur ein Fluchtort, an den sie sich zurückziehen kann. Das Schwimmbecken.
Gestern nachmittag durfte sie sich 4.,08,37 min dort aufhalten, was in Weltjahresbestzeit zum lockeren Sieg über 400m Freistil reichte. Hinterher half sie auch noch der 4x100-m-Staffel zum Gold, war sie „absolut zufrieden“, war das Rennen „absolut super“. Gestrahlt hat van Almsick deswegen nicht. Massen von Leuten erwarten von einer gewissen Franzi immer noch mehr Goldmedaillen. Von den Leuten, die sie mag, läßt sich sich Franziska van Almsick schon seit einiger Zeit nur noch Franz rufen. pu
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