: VW: Warnstreiks gegen Mehrarbeit
Die IG Metall wehrt sich gegen die geplante Samstagsarbeit und unbezahlte Überstunden ■ Aus Hannover Jürgen Voges
Die Frühschicht des hannoverschen VW-Werkes wird heute vorm Maritim stehen, wenn dort um elf Uhr die Verhandlungen über den VW-Haustarif in die vierte Runde gehen. 6.000 ArbeiterInnen wollen sich per Warnstreik lautstark bemerkbar machen. Denn bei den Tarifgesprächen, in denen früher eine besondere VW-Sozialpartnerschaft das Klima bestimmte, setzt die Arbeitgeberseite in diesem Jahr auf Konfrontation. „Unentgeltliche Mehrarbeit will VW, und das nicht zu knapp“, empört sich IG-Metall- Verhandlungsführer Jürgen Peters. Die große VW-Tarifkommission rief am Mittwoch letzter Woche zum ersten Mal nach sieben Jahren wieder zu Warnstreiks auf. In der vegangenen Nacht blieben in Salzgitter und Kassel für eine Stunde die Bänder stehen. Schon zuvor war im VW-Werk Emden die Freitagsschicht, an allen Standorten die Samstagsarbeit entfallen.
Auslöser der Streiks sind geplante Überstunden. Die unbezahlte Mehrarbeit, die Volkswagen am vergangenen Dienstag als Gegenleistung für eine Verlängerung des VW-Kündigungsschutzes gefordert hatte, nennt IG-Metaller Peters schlicht „eine Unverschämtheit“. Das Unternehmen will die Arbeitszeit außerhalb der unmittelbaren Autoproduktion um 3,2 Stunden verlängern, ohne daß die Beschäftigten auch nur einen Pfennig mehr Lohn erhalten. Den Beschäftigten an den Bändern will VW-Verhandlungsführer Ulrich Dase die tarifvertraglich abgesicherte Pause von fünf Minuten pro Stunde streichen. Und auch jene drei Minuten „persönliche Verteilzeit“ sollen fallen, die die Bandarbeiter brauchen, um zwischendurch mal aufs Klo gehen zu können. Seit Einführung der Viertagewoche hat die Woche bei VW 28,8 Stunden. Die anvisierten acht Minuten Mehrarbeit pro Stunde summieren sich zu einer erheblichen Verlängerung dieser Wochenarbeitszeit: An den Bändern wünscht sich VW runde vier Stunden kostenlose Mehrarbeit.
IG-Metaller Peters vermißt bei diesem Vorstoß der Arbeitgeberseite vor allem „jegliche Logik“. Schließlich hatte VW bisher gerade auf die Arbeistzeitverkürzung gesetzt, um Massentlassungen zu vermeiden. Jener „Beschäftigungssicherungstarif“, über dessen Verlängerung jetzt in Hannover verhandelt wird, brachte mit der Einführung der Viertagewoche eine Arbeitszeitverkürzung um 20 Pronzent. Die Gewerkschaft möchte diesen zum Jahresende auslaufenden Vertrag, der betriebsbedingte Kündigungen ausschließt, am liebsten unbefristet, mindestens aber bis zum Jahre 1998 verlängert sehen. VW hat bisher nur eine Verlängerung um weitere zwei Jahre vorgeschlagen und dafür die unentgeltliche Mehrarbeit verlangt. Die IG Metall will allerdings vor allem für die Jahre 1997 und 1998 den Schutz vor Massenentlassungen: „Das sind die eigentlich schwierigen Jahre“, sagt Jürgen Peters. Dann seien bei VW die Modellwechsel gelaufen, durch die immer kräftig rationalisiert werde. Nicht für die Zeiten der Autokonjunktur, sondern für die schwierigen Jahre danach brauche man den Kündigungsschutz.
Ebenfalls nicht nähergekommen sind sich beide Seiten bisher beim Thema Samstagsarbeit. VW spreche in den Verhandlungen zwar nicht mehr davon, daß der Samstag Regelarbeitstag werden soll, meint Jürgen Peters. Dennoch liege die Forderung des Unternehmens nach regelmäßiger Samstagsarbeit weiterhin auf dem Tisch. Und dies ist für die IG Metall völlig unakzeptabel.
So habe Ulrich Dase vorgeschlagen, daß künftig bei VW an bis zu 25 Samstagen im Jahr gearbeitet werden solle. Diese Samstagsarbeit wolle das Unternehmen in die 28,8-Stunden-Woche integrieren. Sie solle nicht als Mehrarbeit gelten, und auch die Zustimmung des Betriebsrats solle nicht mehr notwendig sein. „Hier vermeidet VW nur den Begriff Rgelarbeitstag für den Samstag“, meint Jürgen Peters, „faktisch will die Gegenseite den Samstag eben doch als normalen Arbeitstag.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen