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Von der Plege im Akkord

■ Seit einem halben Jahr werden Menschen nach den Bedingungen der neuen Pflegeversicherung behandelt – Zeit für ein Zwischen-Resumé

Monika R. (33) arbeitet seit ihrem 17. Lebensjahr in der Altenpflege: zunächst im Altersheim, dann beim Roten Kreuz, später als Nachbarschaftshelferin beim Förderwerk und nun bei einer privaten Pflege-Firma. Aber so etwas hatte sie noch nicht erlebt: Nachdem ihr Pflegling gestorben war, rief sie ihre Zentrale an und fragte, was sie tun solle. „Abwarten bis der Leichenwagen kommt“, hie die Order. Aber der kam erst nach drei Stunden. Monika R.: „Das ist dann eine ethische Frage. Da zu bleiben, bis der Leichenwagen kommt, ohne Bezahlung.“ In ihrer Zentrale sprach niemand mit ihr über den Todesfall und die unbezahlte Wartezeit. So etwas wird vorausgesetzt! Zur Zeit betreut die erfahrene Pflegerin wieder eine „Endpflege“. Wieder ohne Ansprechpartnerin.

„Endpflege bedeutet auch, Menschen sterben zu sehen“, sagt sie. „Und jeder ist nur ein Mensch und hat Gefühle. Man kann nur bis zu einem gewissen Grad aufnehmen.“ Aber für Monika R. gibt es keine Supervision und keine Vorgesetzte, die sich ihrer annimmt. „Manche Zentralen machen einmal im Monat so eine Art Kaffeekränzchen mit Fortbildung. Aber das wird nicht bezahlt und deshalb kommt da kaum eine“, bedauert die Pflegerin. Weder Fahrtzeiten noch Telefonate oder Organisationszeiten werden bezahlt. Auch gibt es keine Zuschläge für Nacht- oder Sonntagsarbeit. „Die arbeiten mit psychischem Druck in den Zentralen“, erklärt die Pflegerin, weshalb sie zu jeder Zeit hingeht, zu der sie von ihrer Firma geordert wird. „Zu wissen, da ist ein alter Mensch, der Hilfe braucht und nicht alleine bleiben kann!“

Obwohl sie teilzeit arbeitet, wird sie zu jeder Tages- und Nachtzeit von ihrer Zentrale angerufen. „Die Helferinnen bräuchten selbst manchmal Fürsorge und Begleitung“, erläutert Gabriele Dannemann vom Förderwerk. „Aber das kostet Zeit und Geld!“ Ein Vollzeitarbeitsvertrag bei einem Pflegedienst lautet immer auf 20 Wochenstunden. Mehr Arbeit garantiert ein professioneller Dienst nicht. Und auch diese 20 Stunden werden nur im Durchschnitt eingehalten.

Es gibt Wochen mit 60 Stunden und Wochen mit nur fünf Stunden. „Kapovaz“ hie das Zauberwort in den 70er Jahren bei „Aldi“: Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit. „Flexible Arbeitszeit, wie sie besonders von Frauen gewünscht wird“, nennt es Herr Foppe von der „Zentrale für die private Fürsorge/Hauspflegevermittlung“. „Das ist Ausbeutung“, sagt Gabriele Dannemann schlicht.

Alice Bachmann

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