Sanssouci: Vorschlag
■ Apropos Mainstream: Goldie und Björk im Tempodrom
Freundlich flirtend: Björk Foto: JapA
Bislang fand Jungle Music an zwei Orten statt: Einmal rollte er natürlich dort, wo er tatsächlich aus der Taufe gehoben wurde, auf Londons Straßen und in seinen Clubs, zum zweiten diente Jungle allseits als gelungenes Objekt für strebsame Trendspäher, die diesen Sound als das Ding des letzten Jahres verkaufen durften, was sich selbst die sonst eher schläfrigen Kultursendungen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens nicht entgehen ließen; letztlich fand und findet dies Hype-Getöse aber auf heimischen Böden doch nur wenig Anklang, denn Jungle-Raves sind auch 1995 immer noch etwas für sehr, sehr eingeweihte Menschen.
Mit dem Londoner Breakbeat-Tüftler Goldie scheint das jetzt alles anders zu werden: Der wird überall als der erste Popstar von Jungle angesehen und hat mit „Timeless“ geradezu ein Konzeptalbum abgeliefert – natürlich mit einer angenehmen, smoothy Frauenstimme und den ganzen schönen Sample-Schweinereien wie Piano-Geklimper, Streicherarrangements etc. Geschmeidigkeit trifft hier auf Boller- und Breakbeats, und fertig ist das Popgericht. Der Rest ist Philosophie für alle, repräsentiert „Timeless“ doch für Goldie Musik „in einer Art und Weise, die sich allen Kategorisierungen entzieht“; was wiederum die hiesigen Trendsetter nicht interessiert und diesen Mann und seinen Entwurf zum gefundenen Fressen für eine Mainstreamisierung machen wird. Das war bei Massive Attack oder Tricky auch nicht anders, womit wir beim Star des heutigen Abends wären: Björk.
Einst Vorturnerin der isländischen Schrummband Sugarcubes, hat sie sich mittlerweile zur alleinunterhaltenden Großkünstlerin aufgeschwungen, woran nicht zuletzt das Experimentieren und Flirten mit den Tanzboden-Sounds dieser Welt zu beitrug. Für ihr letztes Album saß neben Soul II Souls Nellee Hooper u.a. auch besagter Tricky an den Programm-Maschinen, und jeder Song ist dank dieser Bastler ein kleines, schmuckes Geräuschuniversum geworden. Die richtigen Leute muß man eben kennen, dann geht alles andere wie von selbst, dann gibt's Respekt, von kleinen Mädchen und großen Jungs. Da vergißt man schon mal die geliebten, „Echtheit“ vorgaukelnden Instrumente, freundet sich an mit ein bißchen „Musik zur Zeit“, mit Jungle und dem sogenannten TripHop, und hofft, daß die Sounds von Goldie und Björk auch live in dem Maß funktionieren, wie sie im Club und auch im Fernsehen viel versprechen. Gerrit Bartels
Morgen ab 18.30 Uhr, Tempodrom, In den Zelten
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