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Der Benjamin des Parlaments

■ Benjamin Hoff, 19 Jahre, wird vermutlich das jüngste Mitglied des nächsten Abgeordnetenhauses. Seine Rolle als Politiker muß der PDS-Kandidat noch lernen

Er raucht nicht, er trinkt nicht, und vom Kiffen läßt er auch die Finger. Doch die Rolle des braven Schwiegersohns gefällt Benjamin Hoff dennoch überhaupt nicht. „Ich stehe für meine politischen Inhalte“, betont er energisch, „und somit für eine linksradikale Gesellschaftskritik.“ Wenn kein Wunder mehr passiert, dann wird Hoff das jüngste Mitglied im kommenden Abgeordnetenhaus sein. Im Bezirk Lichtenberg kandidiert der 19jährige in einem der sichersten Wahlkreise der PDS.

Seit Benjamin Hoff mit dreizehn Jahren im Januar 1990 jüngster Delegierter auf dem letzten Kongreß der Freien Deutschen Jugend (FDJ) war, ist er politisch aktiv. Er arbeitete an einer Antifa- Zeitschrift mit, engagierte sich bei den Jungdemokraten, trat mit 17 der PDS bei und ist seit fast einem Jahr Sprecher der Berliner LandesschülerInnenvertretung.

Sein Elternhaus macht er für das frühe politische Engagement verantwortlich. Durch die Diskussionen seiner Eltern, die beide hohe Positionen im Kulturministerium bekleideten („Ein typischer DDR-Nomenklatura-Haushalt, in dem schon vor der Wende die FAZ gelesen wurde“), habe er die Wende sehr bewußt erlebt und sei dadurch politisiert worden. Ehrgeizig ist der Jungpolitiker – sein Bekenntnis, er wolle in der Partei keine Karriere machen, ist pures Understatement: Karriere hat er längst gemacht.

Doch die Rolle des Politikers im Rampenlicht ist für den 19jährigen noch ungewohnt. In Spandau hatte Mitte letzter Woche die Martin- Buber-Gesamtoberschule zu einer Diskussion mit Parteienvertretern geladen. Während seine drei Konkurrentinnen, allesamt erfahrene Politprofis aus dem Abgeordnetenhaus, vor dem Streit auf dem Podium gemütlich miteinander quatschen, versucht der politische Newcomer von der PDS seine Nerven im Zaum zu halten. Nervös geht er in der Aula auf und ab, blickt dabei starr in das Auditorium. Die ganze gymnasiale Oberstufe der Gesamtschule ist versammelt, um mit den Kandidaten der Parteien zu diskutieren. Als letzter ist Benjamin Hoff mit seinem Eingangsstatement an der Reihe und rattert es herunter, als handele es sich um eine Schnellsprechkonkurrenz.

Seinen Altersvorteil vor den rund 500 Schülern nutzt der angehende Pädagogik-Student nicht. Kaum der Schule entwachsen, präsentiert sich Benjamin Hoff schon mehr als Politiker denn als Gleichaltriger. Abgehoben streift er die schlechte Verkehrspolitik des Senats genauso wie die verfehlte Ausländerpolitik oder polemisiert gegen die Kommunistenhetze der CDU im Wahlkampf. Auch wenn ihm die abgeguckten Politikerattitüden wie die gestenreiche Empörung nicht recht gelingen wollen und er seine rhetorischen Breitseiten gegen die politische Konkurrenz so manches Mal verschluckt, sieht man ihm an, wie gerne er in die Politiker-Rolle hineinwachsen würde. Und er kann bei den Schülern durchaus Punkte sammeln, etwa mit seiner Forderung nach Abschaffung des Ausländerrechts oder der Noten in der Schule. Ratlos läßt er die Zuhörer jedoch zurück mit seinem kraftlosen Plädoyer für eine radikaldemokratisch-antikapitalistische Gesellschaft.

„Linksradikale Politik“ heißt, so doziert er später, „gemeinsam mit vielen Menschen eine Politik zu entwickeln, die Herrschaftsstrukturen praktisch in Frage stellt.“ Doch auch Benjamin Hoff weiß, daß im Abgeordnetenhaus die Mühlen der Politik langsam mahlen und sich die Dinge mühsam verändern. Bildungspolitik will er im Parlament machen, sich für die Wiederabschaffung des Landesschulamtes engagieren und sich für mehr Demokratie von Schülervertretungen einsetzen.

Daß die PDS ihn instrumentalisiert, sei ihm klar, daß sie ihn überall in der Stadt als den zukünftig jüngsten Abgeordneten herumreicht, dies nerve ihn sogar schon, aber, so sagt Benjamin Hoff, „solange mir die Partei meine Politik läßt, bin ich dabei“. Über mangelnde Unterstützung kann er sich nicht beklagen, immerhin hat er sich bei der Nominierung der Direktkandidaten in Lichtenberg gegen vier Konkurrenten in der Stichwahl durchgesetzt. Doch es sind auch Klagen zu hören, daß sich der Kandidat angesichts seines sicheren Wahlkreises (hier lag die PDS bei den Bundestagswahlen acht Prozent vor den Sozialdemokraten) nicht genügend im Wahlkampf engagiert. Eine Kämpfernatur scheint Hoff nicht zu sein, aber er ist selbst sein schärfster Kritiker. „Amateurhaft“ nennt er seinen Auftritt vor den Schülern der Gesamtschule und ärgert sich selbst am meisten über die verpaßte Chance. Im Abgeordnetenhaus wird er mehr Gelegenheiten haben, den Politiker zu lernen. Christoph Seils

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