■ Querspalte: Durch den Wolf gedreht
Generalbundesanwalt Kay Nehm wittert im heldenhaften Abwehrkampf gegen Spionage-Mufti Markus Wolf eine letzte Chance. Er will den Stasi-General jetzt anhand seiner Bücher überführen. Aus ihnen gehe eindeutig hervor, daß 007-Wolf auch vom Ausland aus operierte. Seit Wochen wird in Karlsruhe gelesen, gelesen, gelesen.
Schon liegen erste Beweise auf dem Tisch. Wolfs Kochbuch „Geheimnisse (!!) der russischen (!!) Küche“ entpuppt sich als wahre Fundgrube nur grob verschlüsselter Botschaften. Zwischen Borschtsch, Soljanka und Buchweizen-Blinis hat der Superagent die Geheimnisse seines Agentenlebens deliziös aufgeschrieben.
Was da zum Vorschein kommt, ist nichts für sensible Seelen. Keine Frage: In der „Küche“ von Markus Wolf herrschten Zustände wie in den Bleikammern der Inquisition. Da wird gestochen, geschlagen, gesäubert, zerhackt, aufgespießt und weichgeknetet, da wird kaltgestellt (Seite 133) und selbstverständlich durch den Wolf gedreht (S. 79).
Unter „Pilzgerichte“ (S. 178) warnt Wolf plump vor feindlichen Agenten. Unter die echten Pilze würden sich zuweilen tödliche „Knollenblätterpilze“ (Überläufer, Doppelagenten, BRD-Spione?) mischen. Unverhüllt droht er an, die Falschen zu beseitigen – das Todesurteil für Pullacher Breitkremplinge (S. 179).
Die Rezepte sind Drehbücher perfidester Stasi-Aktionen. Das „Ausquetschen“ von Gastarbeitern, die in den 80er Jahren in der DDR über die brutale Ausbeutung des kapitalistischen Westens berichteten, wird in dem Kochbuch zur Wolfschen Manie: Immer wieder heißt es: „Knoblauchzehen auspressen!“
Die Dramaturgie der Bettgeschichte von Ex-Innensenator Heinrich Lummer mit einer Stasi-Agentin wird unter der Überschrift „Zander à la Diplomat“ (S.190) ausgebreitet: Aus Kopf, Schwanz (!) und Gewürzen wird ein kräftig-scharfer (!) Sud gekocht!
Ein unglaubliches Buch, ein unglaublicher Mann. Generalbundesanwalt, übernehmen Sie! Manfred Kriener
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