: „Königinnen des Hauses“
Vom Weltkongreß der Hausfrauen in Buenos Aires ■ Astrid Prange
Selbstbestimmung? Nein danke. In Buenos Aires scheint die Welt noch in Ordnung. Frauen widmen sich ihren Kindern, besorgen den Haushalt, pflegen kranke Angehörige und kümmern sich ums Essen. „Die Frauen sind die Königinnen des Hauses. Sie verwirklichen sich in der Familie“, davon ist Eloisa Borinelli von der argentinischen Vereinigung für Hausfrauen überzeugt.
Über zweihundert Frauen aus zehn verschiedenen Ländern Europas und Lateinamerikas suchten beim ersten weltweiten Kongreß für Hausfrauen am vergangenen Wochenende in der argentinischen Hauptstadt nach öffentlicher Anerkennung für ihre Schwerstarbeit in den eigenen vier Wänden. Doch ausgerechnet die Gesandte aus Deutschland machte alle Hoffnungen der Lateinamerikanerinnen auf eine Aufwertung des Hausfrauenberufes mit einem Schlag zunichte: Siglinde Porsch, Vorsitzende des Deutschen Hausfrauenbundes, erklärte klipp und klar, daß der Beruf der Hausfrau zum Aussterben verurteilt sei. „Die Versorgungsehe ist tot“, verblüffte die 63jährige ihre Zuhörerinnen. Mittlerweile werde in Deutschland jede dritte Ehe geschieden und bereits zweieinhalb Millionen alleinstehender Frauen lebten von Sozialhilfe. Das Wort „Hausfrau“ hat Siglinde Porsch aus ihrem Vokabular gestrichen. Der neue Begriff „Haushaltsführende/r“, so erklärt sie den weiblichen Abgesandten, sei neutraler und zeitgemäßer. „Sowohl der Mann als auch die Frau können Hausarbeit verrichten, die Frauen sind in der Familie nicht unersetzbar.“ Starker Tobak für das römisch-katholische Lateinamerika, das auf dem Kongreß immerhin mit sechs Ländern vertreten war. Aber auch zwischen Mexiko und Feuerland hat sich die Welt der Frauen geändert: „Man kann heute einem jungen Mädchen nicht mehr sagen, studiere, um zu heiraten und Kinder zu kriegen“, lautet die Erkenntnis von Argentiniens Umweltministerin Maria Julia Alsogaray, der einzigen Frau im Kabinett der Regierung Präsident Carlos Menems. Doch von Frauenpolitik, Quotenregelung oder gar Altersversorgung für die Hausfrau will die Umweltministerin nichts wissen: „Hier in Argentinien gibt es keinen radikalen Feminismus“, erklärt die Ministerin. Die Frauen müßten die Unternehmer durch ihre Kompetenz davon überzeugen, daß sie neben der Familie auch über ein externes Leben verfügten. Das aber fällt schon ihr selbst recht schwer: Wichtige politische Entscheidungen in der Regierung, klagt die zweifache Mutterm, würden immer erst nachts getroffen. Die endlosen Sitzungen seien äußerst familienfeindlich.
Die Tochter von Eloisa Borinelli, der Argentinierin, hat es geschafft, sich in der Männerwelt durchzusetzen. Die 29jährige, so erklärt die Mutter stolz, leite eine Bankfiliale in Buenos Aires und werde von ihren männlichen Kollegen problemlos anerkannt. Argentinierinnen stellen mittlerweile mehr als ein Drittel der insgesamt zwölf Millionen Beschäftigten des Landes.
Keine der leidenschaftlichen Hausfrauen würde der eigenen Tochter von beruflicher Karriere abraten. Doch trotz zunehmender Berufstätigkeit wollen sich die Frauen bei der Leitung des Familienunternehmens das Heft nicht aus der Hand nehmen lassen. „Nur weil wir zu Hause arbeiten, können die Männer beruhigt zur Arbeit und die Kinder zur Schule gehen. Das ist eine einzigartige Aufgabe, die uns gefällt“, erklärt die spanische Delegierte Juana Maria Gonzalez-Cavada. „Die Frage ist nur: Wie steht es um die soziale Sicherheit der Frau?“ Ohne eigene Altersversorgung, drohte die Vorsitzende des spanischen Hausfrauenverbandes, würden sich die iberischen Frauen im kommenden Jahrtausend weigern, weiterhin ihre Arbeit zu verrichten.
Trotz des Wunsches nach offizieller Anerkennung vermieden es die „Weltbürgerinnen“, konkrete Forderungen an ihre jeweiligen Regierungen zu richten. „Es hat keinen Sinn, auf eine staatliche Rente zu pochen, der Mann soll für seine Ehefrau einzahlen“, schlägt Mabel Lorenzo Rial de Sanchez vor, die Vorsitzende des uruguayischen Hausfrauenverbandes. Werden sich die Frauen aus den wirtschaftlich krisengeschüttelten Ländern Lateinamerikas in Zukunft ebenfalls in „Haushaltsführende“ verwandeln, die Heim und Herd nur noch nebenbei betreuen können? „In Deutschland trauern viele Frauen der Versorgungsehe nach, doch das Modell funktioniert nicht mehr“, meint Siglinde Porsch. In Lateinamerika zwingt die wachsende Armut immer mehr Hausfrauen zur Erwerbsarbeit, doch die Stellung des Mannes blieb bis jetzt unangefochten. „Die Frauen genießen es hier, an der Seite eines Mannes zu sein, der sie ausführt“, so Siglinde Porschs Eindruck. Die deutsche Hausfrau hatte in Buenos Aires einen Spitznamen: „die Feministin“.
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