piwik no script img

Aufpoliertes rechtes Image

Die „Junge Freiheit“ wirbt mit liberalen Schreibern. Doch so manches Interview kam dubios zustande. Die Journalisten gaben vor, sie schrieben für eine „Studentenzeitung“  ■ Aus Berlin Annette Rogalla

Was verbindet Hitlers Lieblingsregisseurin, Leni Riefenstahl, mit dem linken Publizisten Günther Nenning aus Österreich? Was haben Michel Friedman vom Vorstand der Jüdischen Gemeinde in Frankfurt und Kurt Waldheim, ehemaliger Wehrmachtsoffizier und NSDAP-Mitglied, gemeinsam? Sie geben Rechten Interviews oder schreiben für sie. Neuerdings werben sie für die Junge Freiheit (JF). Nicht immer freiwillig.

Das Kampfblatt der rechtsintellektuellen Szene legte seiner jüngsten Ausgabe einen Werbeprospekt bei, Hochglanzpapier, sechs Seiten stark, Titel: „Eine Zeitung mit vielen Gesichtern“, 46 Köpfe aus Kultur, Wissenschaft, Politik, Medien und Wirtschaft. Die Rechts-außen-Postille wirbt mit Matthias Horx, ehemaligem Chefredakteur des legendären Frankfurter Pflasterstrands, Thomas Schmid, stellvertretendem Chefredakteur der Wochenpost,, Georg Kofler, Geschäftsführer von Pro7 und Michael Wolffsohn, Historiker an der Bundeswehruniversität München. Sie alle haben sich einmal ausgelassen in dem Blatt.

Nenning und Schmidt räsonierten über die verfehlten Strategien der Linken, und Horx bekannte in seinem Interview: „Der Begriff der multikulturellen Gesellschaft, so wie er sich in Deutschland durchgesetzt hat, ist eine Augenwischerei, da gebe ich Ihnen recht.“ Munter distanzierte sich der Trendforscher von den multikulturellen Festen mit „allen Lugis und Costas der Welt“. Heute nach diesem ein Jahr alten Interview gefragt, läßt Trendforscher Horx ausrichten, alles sei „in seinem Sinne gewesen“. Ihn stört die derzeitige Werbekampagne nicht.

Der Broschüren-Trick von Chefredakteur und Verleger Stein funktioniert. Niemand von den Abgelichteten kann bestreiten, daß er sich in dem Blatt geäußert hat. Mitunter jedoch wußten die Interviewten nicht, wem sie gegenübersaßen. Michael Wolffsohn, jüdischer Historiker an der Universität der Bundeswehr, erinnert sich, daß ihn zwei Studenten vor fünf Jahren um ein Gespräch für eine „Studentenzeitung“ baten. Die neue Werbebroschüre ärgert ihn maßlos. „Ich lass' mich nicht als Alibi-Jude von den Rechten einspannen.“ Wolffsohn verlangt die Korrektur der „Falschmeldung über meine JF-Autorenschaft“. Doch das läßt den smarten rechten Chefredakteur kühl. Es handle sich lediglich um eine „Imagebroschüre“. Bei dem abgeluchsten Interview sei eine „Täuschung sicher nicht beabsichtigt“ gewesen. Und außerdem befinde sich Wolffsohn doch neben den anderen 45 Abgebildeten „nicht in schlechter Gesellschaft“.

Stein deklariert die Broschüre nicht offen als Werbeprospekt, um neue Kunden zu ködern. Ein geschickter Zug, der ihn juristisch absichert, so vermutet Rechtsanwalt Michel Friedman. Auch er sieht sich als „Vorzeige-Jude mißbraucht“. Ihm hatten die Interviewer auch vorgespielt, von einer harmlosen Studentenzeitung zu kommen. Sie befragten den Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde über die „Situation der Juden in Deutschland“. Hätte er ihre wirkliche Identität geahnt, „hätte ich niemals mit denen geredet“. Wer in rechten Medien publiziert, der unterstützt die Szene – Michel Friedmans Ansicht ist unverrückbar.

Unverständlich ist ihm Günther Nennings und Thomas Schmidts Erklärung, warum ausgerechnet sie sich in der Jungen Freiheit äußerten, Schmidt erst vor wenigen Wochen. Er wußte, für wen er schreibt, zumal die Wochenpost die rechten Schreiber kritisch beäugt. „Inzwischen dauert mich mein Schritt auch“, sagt Schmidt. Doch habe er sich entscheiden müssen, einem geschätzten JF-Kollegen, der ihn mehrfach um einen Beitrag gebeten hatte, einen Korb zu geben „und politisch korrekt zu bleiben“ oder dem Drängen nachzugeben. Schmidt gab nach. Nun klebt sein Besinnungsaufsatz über die Fehler der 68er Bewegung wie Pech an ihm.

Ähnlich unbekümmert fand auch der linke Publizist Günther Nenning vor zwei Jahren zu den „nicht unsympathischen Leuten“ von der JF. Weil er „prinzipell mit jedem redet“, gab er das Interview. Doch danach wurde Nenning von seinen politischen Freunden in die publizistische Mangel genommen. Nun verweigert er Gespräche mit Rechten. „Weil sich einige meiner Freunde so sehr aufregen.“ Nenning, Schmidt und andere sind ausgerutscht auf der JF-Schmierseife. Zwei Jahre nach ihrem wöchentlichen Erscheinen haben die Macher der Jungen Freiheit etwas zum Vorzeigen. Ihre Werbekampagne suggeriert, daß sie am Diskurs teilhaben, unterstützt von der kritischen Intelligenz. Annette Rogalla

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen