: High-Tech-Blüte im Heidesand
Siemens eröffnete in Dresden das modernste Chipwerk Europas. Die öffentliche Hand zahlt eine Milliarde. Kommt bald auch US-Firma? ■ Aus Dresden Detlef Krell
Nur 16 Monate dauerte die Bauzeit. Gestern nahm das modernste Chipwerk Europas in der sächsischen Landeshauptstadt die Produktion auf.
Bauherr Siemens AG fabriziert in Dresden zunächst Speicherchips der 16-Megabit-Generation. Ab 1997 ist dann auch die Herstellung von 64-Megabit- Chips geplant. Und Anfang nächsten Jahrhunderts soll in dem Dresdner Werk die Pilotfertigung von 256-Megabit-Speichern aufgenommen werden, deren erste funktionsfähige Muster die Dreierallianz Siemens, IBM und Toshiba bereits im vergangenen Jahr der Öffentlichkeit präsentiert hatte.
Bis 2004 wird Siemens in diese Produktionsstätte 2,7 Milliarden Mark investieren, davon drei Viertel in die Fertigungstechnologie. Mit knapp einer Milliarde wird das ehrgeizige Projekt durch die öffentliche Hand gefördert. Der Konzern will im Halbleiterbereich seinen Umsatz von derzeit rund 4 Milliarden Mark innerhalb von vier Jahren verdoppeln. Weitere Siemens-Chip- Werke sollen in North Tyneside (Großbritannien) und, an bisher nicht benanntem Ort, als Fertigungs-Joint-venture mit dem US- Elektronikkonzern Motorola Inc. aufgebaut werden. „Unser Bereich Halbleiter“, erklärte Siemens-Vorstand Heinrich von Pierer in Dresden, „wächst schneller als der Weltmarkt und ist heute der ertragreichste Geschäftsbereich unseres Unternehmens.“
Auf seinen Standorten in Bayern und Sachsen schaffe der Konzern im laufenden Geschäftsjahr 3.000 neue Arbeitsplätze, versprach der Siemens-Chef. Hinzu komme „das Zweifache bei Lieferanten und Partnern in unserer Umgebung – das sind fast 10.000 zusätzliche Arbeitsplätze in Deutschland“. Siemens bringe nach Dresden Fertigungen, Forschung und Entwicklung „mit klarem Weltmarktfokus“.
Den Grundstein für das Mikroelektronik-Center hatte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) im Juni 1994, kurz vor der Dresdner Kommunalwahl, persönlich in den Heidesand gelegt. Naturschutzverbände waren mit ihren Protesten und Klagen gegen die Standortwahl und das rasante Planungsverfahren gescheitert. Das 260.000 Hektar große Gelände, wo noch vor wenigen Jahren sowjetische Soldaten kaserniert waren, liegt schließlich am Rande eines Landschaftsschutzgebietes.
„Dresden“, jubelt OB Herbert Wagner (CDU), „ist in High- Tech-Stimmung“ und deshalb „zukunftskompatibel“. In den nächsten Tagen will der US-Konzern Advenced Mikro Devices (AMD), weltweit zweitgrößter Hersteller von Mikroprozessoren, bekanntgeben, ob er sein angekündigtes neues Chipwerk ebenfalls in der sächsischen Landeshauptstadt bauen wird.
Marktbeobachter rechnen damit, daß sich der Umsatz auf dem Mikroelektronik-Markt bis zum Jahr 2000 annähernd verdoppeln wird. Erst vor wenigen Tagen war der US-amerikanische Konzern Motorola Inc. in den Dreierbund von Siemens, IBM und Toshiba eingestiegen. Das Gigantenquartett treibt nun die Entwicklung von 64-Megabit- und 256-Megabit-Speicherbausteinen gemeinsam voran.
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