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Waren freier als Menschen

■ EU und südliches Mittelmeer: Freihandel ja, Flüchtlinge nein

Barcelona (taz) – Elf südliche Mittelmeeranrainer von Marokko bis Syrien sowie die palästinensische Autonomiebehörde haben sich gestern in Barcelona verpflichtet, illegal in die Europäische Union eingereiste Staatsbürger zurückzunehmen. Das war eine der Vorbedingungen der EU für Finanzhilfen und engere wirtschaftliche Zusammenarbeit. Beim Treffen der 15 Außenminister der EU mit Vertretern der nichteuropäischen Mittelmeerländer soll heute der politische Rahmen für eine Freihandelszone festgelegt werden, die bis zum Jahr 2010 entstehen soll.

Noch bevor die Konferenz in Barcelona richtig anfing, lagen sich allerdings schon die Delegationen aus Israel und den arabischen Nachbarstaaten in den Haaren. Mit Syrien an der Spitze forderten die arabischen Länder, daß auch der Verzicht auf Atomwaffen und die Unverletzlichkeit der Grenzen in das Abkommen aufgenommen werden. Beides richtet sich gegen Israel.

Die EU-Außenminister versuchen nun, die klassischen Nahost- Probleme aus den Mittelmeerabkommen der EU auszuklammern. Sie müßten im Rahmen einer umfassenden Nahost-Friedenslösung behandelt werden, meinte der Konferenzvorsitzende und spanische Außenminister, Javier Solana. Man müsse verstehen, hieß es aus verschiedenen EU-Delegationen, daß Israel etwa die Unterschrift unter den Atomwaffensperrvertrag als Faustpfand für die Anerkennung Israels durch alle arabischen Länder zurückhalte, womit vor allem Iran, Irak und Libyen gemeint sind, die in Barcelona nicht mit am Tisch sitzen.

Es ist zu erwarten, daß für das Abschlußdokument Kompromißformeln gefunden werden, die es allen Beteiligten erlauben, sie in ihrem Sinn zu interpretieren. Der Europäischen Union ist es wichtig, eine grundsätzliche Zustimmung der südlichen Mittelmeeranrainer zur politischen Zusammenarbeit zu erreichen. Die Konferenz von Barcelona soll der Anfang einer neuen Politik zur Stabilisierung der Region sein, um einer weiteren Polarisierung zwischen Europa und den arabischen Ländern vorzubeugen und die Immigration zu begrenzen.

Das Lockmittel für die arabischen Mittelmeerstaaten sowie für Israel und die Türkei, die politischen Erklärungen – einschließlich einer Verpflichtung, die Menschenrechte einzuhalten – zu unterschreiben, liegt in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit und in den Finanzhilfen. Die Europäische Union hat versprochen, als Vorleistung alle Zölle für die Einfuhr aus diesen Ländern abzuschaffen, Ausnahmen sind wie üblich Textil- und Agrarprodukte. Umgekehrt haben die Länder zwölf Jahre Zeit, die Handelsschranken für Einfuhren aus der EU abzubauen. Alois Berger

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