piwik no script img

■ Ökolumne„Beam me up, Scotty!“ Von Thomas Worm

Energieimpulse auf die Reise schicken, nicht Menschen in Autos und Jets. Klingt gut, weil nach Schongang für die weißblaue Riesenkugel. Am Ende des Jahrtausends entsteht die technologische Vision von der Entstofflichung der Wege. Telematik heißt der Wortzwitter aus Telekommunikation und Informatik, der physische Transporte zugunsten von Informations- und Datenströmen überflüssig machen soll. Kilobyte statt Kilogramm lautet die prägnante Formel – können uns Pentium-Prozessoren und Glasfaserkabel tatsächlich von der CO2-Orgie des Autoverkehrs erlösen?

Technische Neuerungen liefern per se keine Umweltlösungen, sondern jedesmal aufs neue nur die Qual der Wahl: Wie einsetzen? Wenn ein Konsortium per Videokonferenz den Bau eines Großstaudamms beschließt, wenn Vater Kleinschmidt beim Teleshopping die dritte elektrische Gartenschere bestellt – dann guckt Mutter Natur in die Röhre. Alle bleiben sitzen, doch der Ressourcenverbrauch schnellt hoch.

Das könnte auch für die Telearbeit der Zukunft gelten. Bis zum Ende des Jahrzehnts gibt es in Deutschland daheim oder in wohnungsnahen Satellitenbüros vielleicht schon 800.000 Bildschirmjobs. Das Berliner Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung schätzt das Potential von Telearbeit sogar auf 40 Prozent aller Arbeitsplätze. Die Pendler lassen dann ihre Autos in der Garage, und die Nabelschnur zur Firma ist eine Telefonleitung, an der per Modem ein Computer hängt. Da Menschen zu den Wesen mit ausgeprägten Sozialbedürfnissen gehören, werden viele Telejobs – wie etwa bei IBM – zu Doppelarbeitsplätzen führen: Ein paar Tage arbeitet man zu Hause, den Rest der Woche wegen der Kontaktpflege im Betrieb. Schlechte Nachrichten für die Ökobilanz. Denn Faxe, Computer, Drucker müssen für die „kombinierten“ Beschäftigten zweifach vorhanden sein. Allein die Produktion von einer Million Heimcomputern pustet soviel CO2 in die Luft wie das ganze Land Bolivien, abgesehen vom Sondermüllschrott.

Die Telearbeit könnte den Individualverkehr gar noch anheizen. Stichwort: kompensatorischer Verkehr. So stellt der Erlanger Systemforscher Heinz Gerhäuser vom Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen bereits die Frage, ob Isolationsgefühle bei Heimarbeitern nicht deutlich mehr Pkw-Fahrten provozieren – zu Freunden oder Bekannten, um sich vom flauen Einerlei der PC-Mattscheibe zu erholen. Wird nicht eine menschenfreundliche Informations- und Arbeitskultur ersonnen, bleibt das Umweltpotential der neuen Übertragungstechniken auf der Strecke.

Statt eine breite Debatte auch über die ökologischen Chancen und Risiken der Telekommunikation zu entfalten, übt man sich hierzulande zumeist im Fortschrittsglauben. Der Datenhighway wird am liebsten als rasche, saubere und unbegrenzte Art der Mobilität wahrgenommen.

Spinnen wir die Mobilitätsutopie am Fin du XXe siècle zu Ende: Teletransport wäre optimal. „Fertig zum Beamen, Enterprise!“ In Energie verwandelt, sind binnen null Sekunden sämtliche Orte der Erde erreichbar. Jederzeit überall sein zu können bedeutet aber nur, nirgendwo mehr sein zu müssen. Die grenzenlose Mobilität schafft das Erleben ab. Denn wer nirgends mehr richtig anwesend ist, kann auch nichts durchleben. Unterwegs sein, um niemals anzukommen! Was drückt dieses Lebensgefühl krasser aus als die Sucht der Gib-Gas-Fraktion, im Stau zu stecken? Stillstand und High speed gehören zusammen.

Sollte die Telekommunikation in Beruf und Freizeit nur höhere Geschwindigkeiten diktieren, ist sie für die Umweltpolitik verloren. Dann wäre sie nichts weiter als ein Wachstumsankurbler. Erst wenn es gelingt, ihre Einspareffekte durch ein human gestaltetes Umfeld zu verwirklichen, erst wenn die Rahmenbedingungen – vom öffentlichen Verkehr zum Computerrecycling – stimmen, könnte was für die Biosphäre herauskommen. Nur so wäre Info-Tech ein williger Ökoknecht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen