: Der griechische Don King des Basketballs
■ Nach dem 81:72 von Olympiakos Piräus gegen Bayer Leverkusen in der Europaliga lobte der griechische Coach Ioannidis eifrig den traurigen Gegner
Leverkusen (taz) – Das Europaliga-Spiel von Olympiakos Piräus beim deutschen Meister Bayer Leverkusen war gerade ein paar Minuten Geschichte, und bis auf drei Feuerzeuge, zwei Kracher und vier Groschen war weiter nichts aufs Parkett geworfen worden, da stand der Trainer des Siegers im Kabinengang und zog intensiv an seiner Filterzigarette. Geduldig ließ er sich die Fragen übersetzen, nickte ein-, zweimal, legte ein sublim souveränes Grinsen in sein Gesicht, und dann sprach so etwas wie der Boxpromoter Don King aus Yiannis Ioannidis: „Ich liebe die Deutschen und ihren Basketball. Sie sind so diszipliniert, kämpfen und geben nie auf.“
Etwa fünf Minuten später stand sein Counterpart Dirk Bauermann in einem seiner schwarzen Anzüge im neuen, schicken Presseraum der Wilhelm-Dopatka-Halle an einem drahtlosen Mikrofon und sprach von der neuen psychologischen Ausgangsposition, die sich vor dem Spiel ergeben hätte: „Zum ersten Mal seit Jahren waren wir die Favoriten gegen Olympiakos.“ Da habe in seinem Team wohl die Angst Raum gegriffen, eine große Chance verpassen zu können: Olympiakos schlagen und einen deutlichen Schritt Richtung Qualifikation fürs Viertelfinale machen.
Gegen einen personell stark geschwächten griechischen Meister schien es nach den in den letzten beiden Spielzeiten bezogenen deutlichen Niederlagen diesmal tatsächlich möglich zu gewinnen. Denn aus der „starting five“ von Piräus fehlten mit Top-Scorer und -Rebounder Walter Berry und dem Flügel-Nationalspieler Nassos Galakteros zwei ganz wichtige Spieler. Außerdem mußte Ioannidis auf Backup-Center Dragan Tarlac verzichten, statt dessen war er gezwungen einen Rookie wie Vassilios Soulis zu bringen, der zu seinem ersten Europaliga-Einsatz kam und in dieser Saison in der nationalen Liga überhaupt erst zweimal gespielt hatte.
Leverkusen aber scheiterte, auch an sich selbst. Henning Harnisch verwies nach dem Spiel, beim Blick in die Statistik auf eine entscheidende Differenz zwischen beiden Mannschaften: „Turnovers – das ist die Geschichte des Spiels.“ 23 dieser Ballverluste summierten sich bei Bayer, davon gingen allein zehn auf das Konto von Tony Dawson, der damit die insgesamt acht von Olympiakos spielend in den Schatten stellte. Aber das war nicht die ganze Geschichte des Donnerstagabend.
„Wenn du nichts riskierst, kannst du nicht gewinnen“, allgemeinplatzte Yiannis Ioannidis im Kabinengang. Fünf Minuten vor der Schlußsirene und bei einer 58:53-Führung für Leverkusen waren fünf seiner Spieler mit jeweils vier Fouls belastet. Doch statt wenigstens partiell durchzuwechseln, um deren Ausfoulen zu verhindern, ließ Ioannidis sie auf dem Parkett durchspielen. Und es waren eben jene Spieler, wie Nakic, Sigalas und Papanikolau, die Piräus zuerst in die Verlängerung brachten und Bayer in eben dieser schlußendlich mit 81:72 auspunkteten. Wobei sich fragen läßt, weshalb Leverkusen die belasteten griechischen Spieler nicht zu weiteren, letzten Fouls provozierte.
Hätten wir also schon einmal zwei Erklärungsansätze. Der dritte hat einen Namen: Rivers, David Rivers. Der Veteran stand die gesamten 45 Minuten auf dem Feld, erzielte trotz einer an sich schwachen Trefferquote von 40 Prozent satte 30 Punkte und regelte nebenbei auch noch den Aufbau im Spiel von Olympiakos. Und: Rivers interpretierte die Rolle des „Go-to- guys“ vielleicht nicht ganz neu, aber zumindest beeindruckend anders. Denn normalerweise handelt es sich bei den Jungs, die in kritischen Phasen für die entscheidenden Punkte sorgen, um große, schwere Brocken, dunkende Forwards oder treffsichere Distanzwerfer. Aber Rivers traf keinen Dreier, klinkte keinen Dunk ein und ist überhaupt gerade mal 1,83 Meter groß. Insbesondere in der zweiten Hälfte des Spiels jedoch war er es, der traf, wenn es nötig wurde. „Trotz dieser Niederlage erwarte ich Leverkusen am Ende unter den ersten vier Teams in unserer Gruppe“, orakelte Ioannidis mit weise verzogenem Mundwinkel. Das würde im sechsten Versuch erstmals fürs Viertelfinale reichen. Aber wer weiß schon, ob Axel Schulz jemals wieder um die Schwergewichts-Weltmeisterschaft boxen wird. Thomas Lötz
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