: Riskanter Urlaubsflug?
■ Weser Kurier lädt zur Mexiko-Reise / Fluggesellschaft steht auf „schwarzer Liste“
Am Donnerstag sollte es losgehen, zur großen Yucatan-Rundreise nach Mexiko. Doch vor wenigen Tagen entschlossen sich Ingrid Klenke-Weiß und Hella Wilke, von der im Weser Kurier angebotenen „Leser-Reise“ zurückzutreten. Sie hatten erfahren, daß sie die erste Etappe der Reise mit der Air Ambar zurücklegen sollten. Vor dieser Fluglinie der Dominikanischen Republik wurde in den vergangenen Tagen mehrfach gewarnt, da sie, so die Medien, nicht den Sicherheitsanforderungen entspricht.
Seitdem die Bremerinnen das wissen, ist ihre Vorfreude auf die Reise unverhohlene Wut auf den Weser Kurier (WK) gewichen. Ihrem Unmut machten sie in einem gemeinsamen Brief an die Anzeigenleitung Luft: „Ich finde es kriminell und eine arglistige Täuschung, daß ich als Leserin des Kurier am Sonntag zu einer Reise geworben wurde, die für mich, nicht nur wegen des Preisniveaus (2985 DM), einen seriösen Anstrich hatte, und mit der ich schließlich in einem Billigflieger als Beipack lande.“
Am 22.10.95 hatte der WK die Reise angeboten. Blumig werden in der Anzeige alle Annehmlichkeiten aufgeführt, nur die Fluglinie wurde vom Veranstalter, der Essener „Karstadt Reisen, Special Tours“, verschwiegen. Als die Bremerinnen sich Mitte November zur Buchung entschlossen, erkundigten sie sich beim WK nach der Airline. Doch dieser Versuch blieb ebenso erfolglos wie ein zweiter Anfang Januar. „Stets wurden wir vertröstet mit Floskeln wie ,totale Sicherheit–, ,Komfort–, ,renommierte Fluggesellschaften–.“
Am 8.2. endlich erhielten die Bremerinnen ihre Reiseunterlagen, aus denen sie den Namen der Fluglinie erfuhren. Entsetzen machte sich breit. Erst einen Tag zuvor hatte das ZDF die Air Ambar als unseriöse und unsichere Fluglinie beschrieben. Der Focus präsentierte eine schwarze Liste – unter den genannten zehn Fluglinien die Air Ambar. Der Spiegel zog nach, auch in der Zeit wird der Exot mit seinen Billigflügen kritisch erwähnt. Ingrid Klenke-Weiß und Hella Wilke waren so erschüttert, daß es kaum noch was ausmachte, als sie am 9.2. selbst in einem Artikel des WK nachlesen durften, daß Fluglinien der Dominikanischen Republik in Amerika keine Start- und Landeerlaubnis erhalten, weil diese den dortigen Sicherheitsanforderungen nicht genügen.
Noch am selben Tag wollten die beiden Frauen beim WK die Reise stornieren. Die dortige Mitarbeiterin zeigte viel Verständnis und faxte die Absagen zum Essener Karstadt-Reisebüro. Nur vier Tage später erhielten die Damen von dort eine Zahlungsaufforderung über die Buchungsgebühr (45 Prozent des Flugpreises). Hella Wilke: „Es macht mich unglaublich wütend, daß ich 1.303 Mark zahlen soll, weil ich darauf vertraute, daß der Kurier am Sonntag und Karstadt mich nicht in ein Flugzeug setzen würden, das den internationalen Sicherheitsstandards nicht entspricht.“ Sie hätten schon genug draufgezahlt, schimpfen die Frauen und erwarten, daß ihnen der volle Preis zurückerstattet wird.
„Das haben wir nicht zu entscheiden“, meint Franz Schwennen, Hauptanzeigenleiter beim WK und Betreuer der Leser-Reisen. Nachdem er beim ersten Anruf der taz noch Stornierungen verneint hatte, räumte er diese bei der zweiten Anfrage ein. Man habe ihm dies erst jetzt mitgeteilt, erklärte er. Möglich, doch ein Indiz dafür, daß dem WK die Beschwerden nicht sonderlich wichtig waren. „Weitestgehend aus der Luft gegriffen“, meint Schwennen, ebenso die Berichte der Medien. Das hätten die Recherchen bei Karstadt ergeben. Daher sehe er keinen Grund, auf eine andere Fluglinie hinzuwirken. „Wir gehen bei unserem Partner von einer 100prozentigen Sicherheit aus.“
Dieselbe Sicherheit wähnt Partner Karstadt gegenüber Partner Air Ambar. „Mit dieser Gesellschaft ist das Fliegen nicht risikoreicher als mit anderen“, versichert Monika Kempken, Produktmanagerin für die Leser-Reisen bei Karstadt Special Tours. Das hätten „umfangreiche, sehr fundierte Recherchen“ ergeben. Die Recherchen aber, räumt die Produktmanagerin schließlich ein, beruhen weitgehend auf den Angaben des Flugzeugherstellers, der Fluglinie oder der Wartungsfirma (Lufthansa).
Wie oft die Wartungen vorgenommen werden, weiß man bei Karstadt nicht. Eine staatliche Instanz, die so etwas für ausländische Maschinen kontrolliert, existiert nicht. Das Luftfahrtbundesamt ist nur für deutsche Maschinen zuständig. Zwar formulierte die International Civil Aviation Organization (ICAO) weltweit gültige Sicherheitsstandards, überließ aber deren Einhaltung und Kontrolle den Heimatländern der Fluggesellschaften.
„Wir sind überzeugt, daß die Air Ambar eine gute Fluggesellschaft ist“, meint Kempken. Schließlich fliege auch der Karstadt-Reisen-Geschäftsführer am Donnerstag mit: „Glauben Sie denn, wir würden einen Kollegen freiwillig ins Risiko schicken?“ Kempken zählt trotzdem viele besorgte Anrufe und drei Stornierungen. Bei 64 Mitreisenden sei das normal, winkt sie ab. Eine Rückzahlung der kompletten Reisekosten schließt die Produktmanagerin aus. dah
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