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Von Oktoberdruck zum Ökodruck

Die selbstverwaltete Druckerei „Oktoberdruck“ hat als erste ihrer Zunft das Öko-Audit erfolgreich abgeschlossen. Ökolizenz als „Investition in ökologisches Wirtschaften“  ■ Von Bernhard Pötter

Oktoberdruck in Kreuzberg, das ist das Druckerei-Kollektiv, auf dessen Walzen die Sponti-Bewegung in den 70er und 80er Jahren ihre Flugblätter drucken ließ. Dann wurden die Spontis zu Normalos und um den selbstverwalteten Betrieb wurde es still. Doch nun haben sich die DruckerInnen am Paul-Lincke-Ufer 44a einen weiteren Ruf erworben: Seit Dezember 1995 ist Oktoberdruck die erste und bislang einzige Berliner Druckerei mit einem Ökozertifikat gemäß der Öko-Audit-Verordnung der EU.

Den Umweltschutz haben sich die Oktoberdrucker auf ihre Druckfahnen geschrieben: In einer „Umweltschutz-Leitlinie“ verpflichten sie sich dazu, „Verbesserungen nach den aktuellsten ökologischen Erkenntnissen und dem modernsten technischen Stand vorzunehmen, um Umweltbelastungen zu vermeiden und zu beseitigen.“ Neben einer detaillierten Auflistung des „Inputs“ – wie zum Beispiel von Lösungsmitteln, Verpackungen, Druckfarben, Energie und Wasser – und des „Outputs“, in Form von gedruckten Produkten, aber auch von Müll, Abwasser und Emissionen, stellte Oktoberdruck auch ein „Umweltprogramm 1995/96“ vor. Angepackt werden sollen darin die Verminderung von Abfällen, die Einsparung von Waschmitteln und problematischen Sonderabfällen, die Reduzierung von Verpackungen und der Ersatz umweltschädigender Stoffe. Der wichtigste Rohstoff einer Druckerei fehlt allerdings in der Umwelterklärung: „Die Menge des verarbeiteten Papiers wird wegen der Vielfalt (bis zu 100 Sorten) von uns nicht direkt erfaßt“, heißt es in der Analyse. Doch demnächst will die Druckerei ihr Material in Recycling- oder Neupapier getrennt auflisten.

Mit der Öko-Audit-Verordnung als freiwilliger Umweltprüfung will die EU Betrieben die Möglichkeit geben, ihre Produktion ökologisch auf Herz und Nieren überprüfen zu lassen. Bis zu der begehrten Lizenz, mit der ein Betrieb werben kann, muß eine Firma für sich selbst Umweltleitlinien festlegen, eine Bestandsaufnahme ihrer Produktion von einem externen Gutachter erstellen lassen und ein Maßnahmenkatalog für ökologische Maßnahmen erarbeiten.

„Der Gutachter hatte keinen Zweifel daran, daß bei uns die Verpflichtung zum ökologischen Wirtschaften auch wirklich gelebt wird“, meint Oktoberdruck-Geschäftsführer Thomas Klesse. Schließlich habe sich der Betrieb noch nie um die Verantwortung für die Umwelt gedrückt: 1985 erstellten Studenten eine Studie über Umweltbeeinträchtigungen durch ihre Offset-Druckerei, 1992/93 investierte Oktoberdruck in eine teure Lüftungsanlage im Drucksaal und schaffte eine Pumpe zum Abfüllen von Farbe an, die den Müll verringerte. Trotz der Zustimmung zur Idee einer Ökoprüfung gab es in der 40köpfigen Belegschaft aber Diskussionen, ob man das Geld für die Öko-Audit ausgeben solle. Schließlich koste das Verfahren mit etwa 100.000 Mark trotz 60prozentigem Zuschuß vom Land Berlin den Betrieb immer noch eine Stange Geld. Die Oktoberdrucker sahen sich vor einem Problem, das inzwischen auch Kritik an der Ökoverordnung hervorruft: Eine mögliche Gefährdung für Kleinbetriebe. Ohne Förderung können nämlich kleine und mittlere Unternehmen sich das Verfahren kaum leisten und müssen damit auf das werbeträchtige Zertifikat verzichten. Das wiederum könnte ihnen Wettbewerbsnachteile gegenüber den großen Firmen bringen.

Die Hoffnung, mit der Überprüfung auch Schwachstellen in der Produktivität zu entdecken, hat sich für Oktoberdruck jedenfalls nicht erfüllt. „Wenn man dabei große Einsparpotentiale entdeckt, hat man vorher schlecht als Kaufmann den Betrieb im Blick gehabt. Das Öko-Audit ist in Wahrheit eine Investition in das ökologische Wirtschaften“, meint Geschäftsführer Klesse.

Neben der Umwelterklärung und der Information von Kunden über ökologische Belange wie zum Beispiel den Einsatz von Recycling-Papier hat Oktoberdruck in einem eigenen „Umwelthandbuch“ die umweltrelevanten Aufgaben und Verantwortlichkeiten für jeden Arbeitsplatz dokumentiert. Hauptsächlich erhoffen sich die Alternativ-Drucker aber Vorteile beim Marketing.

Die nämlich können sie brauchen. Die mittelständische Druckerei, die neben vielen Broschüren und den stadtbekannten Kinoprogramm-Plakaten für die Litfaßsäulen vor allem von öffentlichen Druckaufträgen lebt, spürt die Ebbe in den Staatskassen. Anders als zu Zeiten der Subventionshochburg Berlin sind heute Aufträge rar und umkämpft. Da sollte sich besonders die öffentliche Verwaltung an ihre eigenen Vorgaben halten, Betriebe mit ökologischen Vorleistungen bevorzugt zu behandeln, meint Klesse. Und die alternative Szene, für deren Flugblattbedarf Oktoberdruck 1973 gegründet wurde und für die die ersten Ausgaben von tip und zitty auf den Walzen im Hinterhof liefen, ist längst nicht mehr so lesehungrig wie früher.

Geblieben ist den Oktoberdruckern die Selbstverwaltung, die sie seit nunmehr mehr als 20 Jahren in allen Varianten ausprobiert haben. Ein Kollektiv jedenfalls sind sie nicht mehr. Inzwischen gibt es feste Strukturen, Stundenlohn mit Schichtzulage und Hierarchien: Abteilungsleiter und Aufsichtsrat der GmbH werden gewählt, die Höhe des Lohnes richtet sich nach dem Betriebsergebnis. Geblieben sind auch die gemeinsame Kantine, in der alle MitarbeiterInnen essen, die Beschäftigung von Festangestellten statt Aushilfskräften, die Weigerung, rechte Propaganda oder Pornos zu drucken - oder eben der Entschluß, sich eine Öko-Audit-Lizenz zu leisten, wo andere Betriebe nur auf die kurzfristige Rendite sehen.

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