: Haftbefehl gegen Kinkels Dialogpartner
Richter am Bundesgerichtshof halten den iranischen Geheimdienstminister Ali Fallahian für Drahtzieher der vier Morde an Oppositionspolitikern im Berliner Lokal „Mykonos“ ■ Aus Berlin Dieter Rulff
Bislang hielt Bundesaußenminister Klaus Kinkel an der Strategie des kritischen Dialoges mit dem Iran fest, trotz dessen mutmaßlicher Verwicklung in die Hamas- Anschläge in Israel. Die Belege dafür schienen ihm nicht eindeutig genug zu sein. Seit vorgestern sieht er sich jedoch mit der Tatsache konfrontiert, daß einer seiner potentiellen Dialogpartner mit Haftbefehl wegen vierfachen Mordes gesucht wird. Der iranische Geheimdienstminister Ali Fallahian muß, sollte er nochmals wie 1993 die Bundesregierung besuchen, damit rechnen, in U-Haft genommen zu werden. Ihm wirft die Bundesanwaltschaft vor, Drahtzieher des Mordes an vier iranisch-kurdischen Oppositionspolitikern im Berliner Lokal „Mykonos“ zu sein. Wegen dieser Morde wird seit zwei Jahren vor dem Berliner Landgericht verhandelt. Die Generalbundesanwaltschaft (GBA) wollte sich gestern „aus grundsätzlichen Erwägungen“ zu dem Haftbefehl nicht äußern, doch der Verteidiger der Nebenklage im „Mykonos- Prozeß“, Hans-Joachim Ehrig, bestätigte, daß er „aus sehr zuverlässiger Quelle“ erfahren habe, daß ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof am Donnerstag diesen auf Antrag der GBA erlassen habe.
Die GBA ermittelt bereits seit längerer Zeit gegen Fallahian. Das Bundesaußenministerium hatte im Dezember versucht einen Haftbefehl zu verhindern, weil dadurch „die Gefahr eines schweren Nachteils für die Bundesrepublik Deutschland“ drohte. In solchen Fällen kann, laut Strafprozeßordnung, von einer Strafverfolgung abgesehen werden. Daß die GBA an dem Haftbefehl festhielt, führt Ehrig auf die Aussagen des Direktors des Bundesamtes für Verfassungsschutz Klaus Grünewald zurück. Dieser hatte im Januar im „Mykonos-Prozeß“ einen Bericht seiner Behörde bestätigt, wonach ein Arbeitsbereich des Direktorates für Auslandsoperationen des iranischen Geheimdienstministeriums „direkt in den Mordanschlag auf Kurdenführer am 17. September 1992 in Berlin verwickelt“ gewesen sei. Die Informationen fußten, nach Grünewalds Auskunft, auf eine Quelle eines befreundeten Dienstes. Vor kurzem erklärte der Verfassungsschützer in einer zweiten Vernehmung, daß er mit dem Führungsoffizier dieser Quelle gesprochen und Akten eingesehen habe. Danach seien die Erkenntnisse als zuverlässig einzuschätzen. Für Ehrig ist „sehr bedeutend, daß ein unabhängiger Richter die Beweislage eigenständig geprüft hat“, bevor er den Haftbefehl erließ. Deshalb könne die Bundesregierung an den Vorwürfen gegen Fallahian nicht mehr vorbeigehen. Regierungssprecher Hausmann wollte gestern dazu keine Stellungnahme abgeben, betonte aber, daß im Rahmen des EU-Außenministertreffens die Politik des kritischen Dialoges derzeit überprüft werde.
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