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■ Für die Bundesregierung war er ein Dialogpartner. Ein Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof läßt nun nach Irans Geheimdienstminister Ali Fallahian suchen: Er soll iranische Oppositionelle in Berlin liquidiert habenMörder im Dienste All

Sollten sich Bernd Schmidbauer und Ali Fallahian noch einmal wiedersehen, dürfte die Zusammenkunft weit weniger herzlich ausfallen als beim letzten Mal. Damals, im Herbst 1993 beim Staatsbesuch in Bonn, lag dem deutschen Geheimdienstkoordinator im Bundeskanzleramt und dem iranischen Geheimdienstminister die Kooperation ihrer Dienste am Herzen, wurde Know-how und Equipment nach Teheran vermittelt. Beim nächsten Treffen würden sie sich als Zeuge und Angeklagter gegenüberstehen. Schmidbauer wird dann, so hoffen die Ermittler, bekunden, daß der Beschuldigte Fallahian öfters versucht hat, Druck auf die Bundesregierung auszuüben, den Mykonos- Prozeß in Berlin zu verhindern. Für den Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofes (BGH) wäre das eine weitere Bestätigung der Mittäterschaft Fallahians bei dem Mord an vier iranisch-kurdischen Exilpolitikern im Berliner Lokal „Mykonos“ im September 1992.

Wegen dieser heimtückischen, mit gemeingefährlichen Mitteln begangenen Tat soll Ali Fallahian nach dem Willen des BGH in Untersuchungshaft genommen werden. (Haftbefehl Akt-Z.: 2 BJs 296/95-8). Der Ermittlungsrichter ist überzeugt, daß die Liquidierung Oppositioneller Fallahians Ministerium für Nachrichtendienste und Sicherheitsangelegenheiten und den ihm nach- und zugeordneten Stellen, insbesondere dem Nachrichtendienst Vevak und der Pasdaran-Truppe „Godhs“, übertragen sei.

Die den dringenden Tatverdacht belegenden Umstände sind vor allem Zeugenaussagen und andere Beweismittel, die im Mykonosverfahren vorgelegt wurden. So verweist der Ermittlungsrichter auf einen Vermerk des Bundesamtes für Verfassungsschutz, in dem erläutert wird, daß ein „Arbeitsbereich des Direktorats für Auslandsoperationen des iranischen Ministeriums für Information und Sicherheit (...) direkt in den Mordanschlag (...) verwickelt“ war. Demnach sandte Fallahians Behörde „Anfang September vor dem Mordanschlag ein Team von Teheran nach Berlin“. Das Team „legte die Pläne für den Mordanschlag endgültig fest“. Auf diese Darlegungen, die sich wahrscheinlich auf Erkenntnisse des britischen Geheimdienstes stützen, fußt auch die Anklage gegen den Iraner Kazem Darabi, der als Drahtzieher des Attentates vor Gericht steht.

Darabi soll, nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes und des britischen Geheimdienstes, Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes Vevak und Angehöriger der Revolutionsgarde Pasdaran sein. Somit untersteht er in den Augen des Ermittlungsrichters, der Weisungsbefugnis des Beschuldigten Ali Fallahian. Eine Reihe weiterer Indizien begründen den Haftbefehl. So habe einer der Angeklagten im „Mykonos“-Prozeß in einem richterlich protokollierten Geständnis den Iran als hinter der Tat stehend bezeichnet. Zwei Angeklagte sollen im Iran in einem Ausbildungslager der Pasdaran- Truppen eine Spezialausbildung erhalten haben, der Fahrer des Fluchtwagens soll sich im Iran aufhalten.

In seiner Bewertung kommt der Ermittlungsrichter zu dem Schluß, daß es den Umgang des Irans mit oppositionellen Gruppen kennzeichne, daß er deren Repräsentanten auch außerhalb der eigenen Landesgrenzen verfolge. Welche Rolle Fallahian dabei spielt, ist dem Richter erkenntlich aus einer Ansprache, die dieser zwei Wochen vor dem Attentat hielt: „Wir verfügen über eine Sicherheitsabteilung, deren Operationen sich gegen konterrevolutionäre Kleingruppen richten. (...) Uns ist es gelungen, vielen dieser Kleingruppen außerhalb des Landes und an den Grenzen Schläge zu versetzen. Wie Ihnen bekannt ist, handelt es sich bei einer dieser Kleingruppen um die Kurdisch-Demokratische Partei.“ Der damalige Führer dieser Partei, S. Scharafkandi, war drei Wochen später tot, er war eines der „Mykonos“-Opfer.

Daß die Verfolgung oppositioneller Gruppen und ihrer Repräsentanten auch deren physische Vernichtung einschließt, wird in den Augen des Ermittlungsrichter auch durch den Mordanschlag auf Dr. Ghassemlou belegt. Dieser war Scharafkandis Amtsvorgänger. Er ist 1989 in Wien im Verlauf von Geheimverhandlungen mit einer iranischen Regierungsdelegation von Mitgliedern dieser Delegation erschossen worden. Eines der Delegationsmitglieder, Djafari Saharoodi, übe inzwischen das Amt des Stellvertretenden Leiters des Pasdaran-Generalstabes aus.

Eine zusammenfassende Beurteilung des Hintergrundes, des Umfeldes und der wesentlichen Umstände der Tat begründen für den Ermittlungsrichter den dringenden Verdacht, daß der Beschuldigte Fallahian als Chef des zuständigen Ministeriums und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates aufgrund der sich daraus ergebenden Befehlsgewalt und Gestaltungsmöglichkeiten als Verantwortlicher mit Tatherrschaft an der Tat vom 17 September 1992 beteiligt gewesen sei. Fallahian habe aus niederen Beweggründen gehandelt.

Der Haftbefehl wurde am 14. März erlassen, doch ist seine Wirkung mehr eine politische denn eine strafprozessuale. „Repräsentanten anderer Staaten, die sich auf amtliche Einlandung in der Bundesrepublik aufhalten“, sind vor der deutschen Gerichtsbarkeit geschützt. Doch der Ermittlungsrichter ist zuversichtlich. Bei Wegfall einer dieser Vorraussetzungen des Gerichtsverfassungsgesetzes, so frohlockt der Richter, unterliege Fallahian uneingeschränkt der deutschen Gerichtsbarkeit. Dieter Rulff

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