: Überfordert knallt's knallt's
■ Ein Bremer Wissenschaftler untersucht Unfallursachen
Autofahren ist gefährlich. Reisebusfahren ist gefährlich. Über die Straße gehen und arbeiten auch. Immer wieder knallt's.
Überall, wo es knallt, ist der Bremer Professor Ungerer dabei – mental jedenfalls. Er verfolgt Prozesse, die ins Stocken geraten. So nennt er sein Gebiet neutral. Ihn interessiert dabei vor allem die Frage „Warum?“.
Das „Warum“ wollen auch Berufsgenossenschaften kennen, bei Arbeitsunfällen beispielsweise. Oder Verkehrsplaner, bei Straßenunfällen. Deshalb bezahlen Ungerers Forschungsarbeiten schon seit 15 Jahren Unternehmen, Berufsgenossenschaften, das Bonner Zukunftsministerium – oder sogar der ADAC.
Für die größte deutsche Automobilisten-Organisation untersucht Ungerer mitsamt seines interdisziplinären Teams aus PädagogInnen und PsychologInnen gerade, wie gefährlich es ist, beim Autofahren zu telefonieren: „Sehr gefährlich, das kann ich Ihnen schon so sagen“, verrät Ungerer.
Wann der Griff zum Hörer allerdings am verhängnisvollsten ist, das erforscht er noch. Um dann herauszufinden, welche Tips man an Hersteller geben kann: Kaum jemand schreibt doch auf die Verpackung, wie gefährlich Telefonieren beim Autofahren ist. Auch Ratschläge an Arbeitgeber erwägt Ungerer: Viele Angestellte greifen doch in jeder Situation zum Hörer, nur damit der Chef nicht denkt, sie würden gerade Pause machen. Auch das überlegt er: Der Umgang mit der Technik gehört in die Fahrschulausbildung. Dort lerne man schließlich dem Umgang mit dem Auto, da sei es nur richtig, auch das Restrisiko dort zu vermitteln.
Ungerer würden aus dem Stand noch eine Reihe anderer Präventionsmaßnahmen einfallen. Die jahrelange Arbeit hat ihn im Blick auf menschliche Schwächen geschult – denn vor allem die eingeschränkte Aufnahmefähigkeit des Menschen sei schuld an den Unfällen, sagt er. Dagegen helfe vor allem eins: Aufklärung. Auf keinen Fall Verbote. „Autotelefon verbieten? Sowas werden Sie von mir nicht zu hören bekommen. Aber: die Menschen müssen begreifen, wann sie gefahrlos telefonieren können.“
Zuvor will's der Forscher genau begreifen. Dafür hat er sein „Sensomotorik-Labor“, das vor allem so heißt, „weil das dynamischer klingt als Institut.“ Am Computer läßt er im Labor freiwillige Versuchspersonen Gefahrensituationen simulieren: Erst schickt er dem Autofahrer, der immer kribbelig wird, wenn ihm ein LKW entgegenkommt, einen Laster nach dem nächsten über den Bildschirm entgegen. Dann läßt er das Autotelefon klingeln – und als nächstes muß der Versuchsmensch auf unangenehme Fragen antworten. Elektronisch wird gemessen was im Menschen vorgeht: Daß sich der Hautwiderstand erhöht und das Herz rast. Dann weiß der Forscher: Gleich ist der Unfall so gut wie sicher.
Noch eine Weile fahren Ungerers Probanden am Computer Probe – oder auf dem Ihlpoler Kreisel. Computer, Videokameras, Fahrlehrer und Forscher werten die Ergebnisse aus. In zwei Jahren soll es genaue Zahlen über die Unfallgefährdung durch Autotelefone geben. Dann folgen Präventionsmaßnahmen. Nicht auszuschließen, daß Ungerer Fortbildungskurse für Fahrlehrer und Multiplikatoren abhält – und so das Wissen über die beherrschbare Technik unter die Menschen bringt. ede
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