: Israel will seine "Vergeltungsschläge" gegen Stützpunkte der Hisbollah im Libanon so lange fortsetzen, bis die ihre Angriffe gegen den Norden Israels aufgibt. Ein erstes Etappenziel wurde erreicht: Eine halbe Million Zivilisten ist schon au
Israel will seine „Vergeltungsschläge“ gegen Stützpunkte der Hisbollah im Libanon so lange fortsetzen, bis die ihre Angriffe gegen den Norden Israels aufgibt. Ein erstes Etappenziel wurde erreicht: Eine halbe Million Zivilisten ist schon auf der Flucht.
„Früchte des Zorns“ führen zu Exodus
Die Bewohner von 40 weiteren libanesischen Städten und Dörfern zwischen der Mittelmeerküste und der syrischen Grenze wurden gestern morgen von der israelischen Armeeführung aufgefordert, ihren Wohnsitz möglichst sofort zu verlassen; ansonsten liefen sie Gefahr, zu Opfern weiterer israelischer Luftangriffe zu werden. Schon am Freitag hatten die Bewohner von insgesamt 48 Orten den „Marschbefehl“ nach Norden erhalten. De facto dehnt Israel im gegenwärtigen Stadium das Gebiet der von Israel kontrollierten „Sicherheitszone“ weiter nach Norden ins libanesische Landesinnere aus.
Nach der erneuten Warnung und der Flucht der Bevölkerung wird die Anzahl der nach Norden vertriebenen libanesischen Zivilisten inzwischen auf eine halbe Million geschätzt. Israelischen Meldungen zufolge waren die Hafenstadt Tyrus und Nabatye im Süden bereits in den Mittagsstunden so gut wie menschenleer. Zur gleichen Zeit griffen israelische Kampfflieger ein Kraftwerk an, das Beirut mit Elektrizität versorgt. Die Beschädigung des Elektrizitätswerks soll eine Vergeltungsmaßnahme für die Schäden gewesen sein, die die Hisbollah am Vormittag an einem Elektrizitätsnetz im Norden Israels angerichtet haben. Bei diesem Beschuß mit Katjuscha-Raketen wurde eine Frau leicht verletzt, ansonsten wurden Sachschäden gemeldet.
Seit Mittwoch vergangener Woche ist alles Leben im Norden Israels lahmgelegt. Wer nicht evakuiert wurde, verbringt die Tage und Nächte in Bunkern. Vor allem die arme Bevölkerung beklagt sich über die mangelhafte Versorgung mit den notwendigsten Lebensmitteln. Ländliche Siedlungen sind da besser dran, müssen jedoch seit Beginn der israelischen Operation „Früchte des Zorns“ auf den normalen Arbeitsbetrieb verzichten. Insgesamt sind 40 Industriebetriebe im Norden Israels stillgelegt, und das Tourismusgeschäft ist vollständig ausgefallen. Als Vorsichtsmaßnahme wurde in den letzten Tagen etwa die Häfte der Bevölkerung der Grenzstadt Kiriat Schmona und anderer Kleinstädte im Grenzgebiet ins südliche Landesinnere evakuiert.
Nach einer sonntäglichen Kabinettssitzung erklärte Regierungschef Schimon Peres, daß die Militäraktionen im Libanon unbegrenzt fortgesetzt würden. Israel informierte die US-Regierung vom Verlauf der Operationen, bat jedoch darum, auf eine diplomatische Intervention in den arabischen Hauptstädten zu verzichten. Die für Montag geplante Reise des israelischen Außenministers Ehud Barak in die USA wurde einstweilen aufgeschoben, um der Armee mehr Zeit für weitere Operationen im Libanon zu geben.
Mit ähnlicher Absicht bemüht sich Israel, eine von der Beiruter Regierung geforderte Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates zur israelischen Aggression möglichst lange hinauszuschieben, um zu verhindern, daß später Resolutionen gegen Israel angenommen werden. Andererseits sind die arabischen Regierungen intensiv bemüht, den Kämpfen auf diplomatischem Wege ein rasches Ende zu bereiten. Der libanesische Ministerpräsident Hariri konferierte in diesem Zusammenhang am Samstag mit dem syrischen Präsidenten Assad in Damaskus. Am Sonntag reiste er zum ägyptischen Präsidenten Mubarak nach Kairo.
Nach Aussage des israelischen Botschafters in Washington, Itamar Rabinovich, hat die US-Regierung den Israelis für ihre Militäraktion im Libanon „grünes Licht“ gegeben. Der israelische Rundfunk meldete aus Washington, die USA seien bereit, im Vorfeld der Parlamentswahlen vom Mai „alles für Peres' Sieg zu tun“.
Einstweilen hat der Chef der Arbeitspartei, Nissim Zvili, erklärt, unter den Umständen wolle man auf einen intensiven Wahlkampf verzichten. Die Jerusalem Post berichtete, bei der Führung der Partei herrsche die Meinung vor, daß „die Militäraktion eine Wahlkampagne für Peres überflüssig macht“. Amos Wollin, Tel Aviv
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