piwik no script img

Diepgen künftig hinter Gittern

■ Bevor der Regierende Bürgermeister in seinem Dienstzimmer als Zeuge vernommen werden kann, muß das Büro umgebaut werden, meint Verfassungsrichter Klaus Eschen

Um den Regierenden Bürgermeister Diepgen künftig vor Eier- Attacken des Aktionspolitologen Kunzelmann zu bewahren, hat die Justizsenatorin aufgerüstet (die taz berichtete): Neuerdings können auch Rechtsanwälte im Kriminalgericht Moabit nach verbotenen Gegenständen wie Wurfgeschossen durchsucht werden. Außerdem sollen Regierungsmitglieder künftig nicht mehr im Gericht, sondern in ihren Dienstzimmern als Zeugen vernommen werden. Der Notar und Richter am Berliner Verfassungsgerichtshof, Klaus Eschen (SPD) gab der Senatorin dazu noch einige Anregungen.

taz: Herr Eschen, Sie haben Frau Peschel-Gutzeit einen Brief geschrieben und ihr darin herzlich gratuliert, zum Geburtstag?

Klaus Eschen: Nein. Ich habe die Senatorin zu der Aufbruchstimmung beglückwünscht, die offenbar in der Justizverwaltung herrscht. Denn jetzt werden endlich mal Reformbestrebungen umgesetzt, auf die die Rechtspflege schon so lange wartet. Schließlich ist bekannt, daß Eierwerfen in Gerichtsverhandlungen Alltag ist. Dem ist jetzt endlich ein Riegel vorgeschoben worden. Und den Politikern, die sich ständig als Zeugen in den Gerichten herumtreiben müssen, bleibt nun endlich der weite Weg in diese fremde, unheimliche Atmosphäre erspart.

Hat Frau Peschel-Gutzeit endlich die wahren Feinde der Klassenjustiz erkannt?

Jawohl. Das sind die Rechtsanwälte, die Eierschmuggler.

Wird Diepgen künftig ganz gemütlich, hinter verschlossenen Türen in seinem Büro vernommen?

Die Öffentlichkeit muß natürlich auch dort hergestellt werden. Also muß Diepgens Dienstzimmer umgeräumt werden. Es müssen Bänke für die Zuhörer aufgestellt und Platz für die Sitzverteilung von Gericht, Staatsanwalt, Verteidiger und Protokollführer geschaffen werden. Wachtmeister müssen herangefahren werden. Und es muß sichergestellt sein, daß inhaftierte Angeklagte nicht entwischen können. Das geht nur, wenn die Fenster von Diepgens Büro vergittert werden.

Das ist doch kein Problem. Die Justiz hat doch genug Geld.

Ich weiß nicht, ob die Geldstrafen und Geldbußen in Moabit so erhöht worden sind, aber offenbar ist dies so.

Ist es nicht ungerecht, wenn dieses Privileg nur für den Regierenden und die Senatoren gilt?

Das finde ich auch. Man sollte dies auch für Staatssekretäre, Polizeipräsidenten und vielleicht auch Oberstudiendirektoren einführen, weil dieser gesamte Personenkreis mit Eierwürfen rechnen muß.

Und was passiert, wenn Diepgen abgewählt wird?

Man muß natürlich auch eine Ruhestandsregelung treffen. Denn Diepgen bleibt die Person der Aggression, zumindest solange wie Herr Kunzelmann als Angeklagter vor Gericht steht.

Das wird wohl noch ein paar Jährchen dauern. Haben Sie noch Fragen an Frau Peschel-Gutzeit?

Ja. Was ist, wenn das gemeinsame Land kommt und der Regierende Bürgermeister nicht mehr Regierungsmitglied, sondern nur noch Oberbürgermeister ist? Da klafft offenbar noch eine erhebliche Lücke. Interview: Plutonia Plarre

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen