■ Wohin hat Kanthers Schlacht in Gorleben geführt?
: Das politische Nirgendwo

Bundesinnenminister Manfred Kanther (CDU) hat sein Ziel erreicht. Endlich ist der zackige Minister General geworden. Die Polizeibeamten im Wendland haben den Demonstranten den „Krieg“ erklärt und ihre Einsätze teilweise auch so geführt. Sie agierten als die Soldaten eines Innenministers, der das Interesse des Atomstaates über Gesundheit, Leben und Verhältnismäßigkeit stellt. Und wohin hat Kanthers Schlacht geführt?

Politisch nirgendwohin. Schon heute ist klar, auch beim nächsten Transport werden wieder Tausende querstehen – wenn es noch einen gibt. Das Dilemma: Kanther und seine Polizei prügeln gar nicht für einen politischen Erfolg. Die Regierung setzt Gewalt nicht ein, um eine politische Lösung des Atomproblems zu erreichen. Sie setzt Gewalt vielmehr ein, um weiter keine Lösung des Atommüllproblems suchen zu müssen. Nicht das Gewaltmonopol des demokratischen Staates hat den Einsatz in Gorleben begründet, vielmehr hat die Gewalt eine demokratische Politik ersetzt.

Geprügelt hat der Atomstaat schon häufiger. Doch eine Kriegserklärung ist einmalig: Wenn Polizisten ihren Einsatz im Wendland als Krieg wahrnehmen, dann wird nicht nur der Ordnungshüter zum Soldaten, dann wird der Bürger zum Feind. In die Polizeitruppe hinein war diese Zuspitzung offenbar gedacht, um die Moral zu stärken, eine Rechtfertigung für das eigene zweifelhafte Tun zu finden. Demonstrierende Bürgerinnen und Bürger werden von der Regierung und ihren Claqeuren wahlweise als „Chaoten“ beschimpft oder als Leute, die „nicht mit Messer und Gabel essen können“ (FAZ). Zum Untermenschen ist es nicht mehr weit.

Gegen diese Politik bedurfte es gestern dringend eines moralischen Sieges bürgerlicher Tugend, eines Sieges der Bürgerinnen und Bürger, die dem Staatsapparat mit friedlichen und gezielten Regelverletzungen deutlich machen, daß er zu weit geht. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, haben die Demonstranten friedlich den Atomtransport für Stunden aufgehalten, haben sie nicht nur die politischen Kosten der Atomwirtschaft erhöht.

Für die Stammbücher der Polizeiführung: AtomkraftgegnerInnen führen auch in Gorleben keinen Krieg. Polizisten müssen keinen Krieg führen, dürfen in der Demokratie keinen Krieg führen. Und für den Innenminister: Ihr Job ist es, den Souverän zu schützen, nicht mit ihm Krieg zu führen. Hermann-Josef Tenhagen