: Kirchenasyl half nicht
■ 19jähriger in die Türkei abgeschoben. Verhaftung auf Weg zu PKK-Demo?
Nürnberg (taz) – Die Einreise sei „ohne Probleme verlaufen“, beeilte man sich im bayerischen Innenministerium zu betonen, nachdem man den 19jährigen Kurden Mesut Demirkiran nur einen Tag nach seiner Verhaftung nach Istanbul abgeschoben hatte. Der Kurde hatte das Kirchenasyl in Höchstadt in Mittelfranken, in dem seine ganze Familie seit über einem Jahr lebt, nur kurz verlassen und war von der Polizei bei einer „polizeilichen Vorkontrolle“ in Erlangen festgenommen worden.
Im März letzten Jahres, kurz nachdem Innenminister Kanther den Abschiebestopp für Kurden aufgehoben hatte, standen Ahmet und Elif Demirkiran mit ihren vier Kindern vor dem Portal der Christuskirche und baten um Kirchenasyl. Der 39jährige Familienvater war in der Türkei aufgrund seines Engagements für die kurdische Unabhängigkeit verhaftet und gefoltert worden. 1991 floh die Familie nach Deutschland, ihr Asylantrag wurde jedoch abgelehnt. Aus Angst vor Abschiebung tauchten sie in den Niederlanden unter und kamen auf Anraten ihres Anwaltes im Juli 1994 wieder nach Deutschland zurück. Ahmet Demirkiran wurde in Abschiebehaft genommen und kam aufgrund des Abschiebestopps wieder frei. Nach Aufhebung desselben flüchteten sie in die Kirche. Im Dezember letzten Jahres begab sich Ahmet Demirkiran, der dem psychischen Druck nicht mehr gewachsen war, in das Bezirkskrankenhaus Erlangen. Als er dort entlassen werden sollte, stand die Polizei vor der Tür. Mitglieder der Höchstädter Gemeinde schmuggelten ihn jedoch an zahlreichen Kontrollen vorbei in ein neues Versteck. Nach einem Gutachten des Staatlichen Gesundheitsamtes Erlangen ist Vater Demirkiran „dringend behandlungsbedürftig“.
Die Amtsärzte erklärten den 39jährigen für reise- und haftunfähig. Damit hätte er auch einen Anspruch auf Duldung. Das bayerische Innenministerium zweifelt dieses Gutachten jedoch an.
So mußte Vater Demirkiran weiter in seinem Versteck bleiben. Sein Sohn Mesut war nach Angaben der Kirchengemeinde auf dem Weg zu ihm, als er am Sonntag verhaftet wurde. Laut Innenministerium sei Mesut jedoch auf dem Weg zu einer PKK-Veranstaltung festgenommen worden. Bereits am nächsten Tag wurde er abgeschoben. Beim Höchstädter Unterstützerkreis hat sich der 19jährige bislang noch nicht gemeldet. „Innenminister Beckstein und seine willfährigen Beamten sind eine Schande für Bayern“, kommentierte Elisabeth Köhler, Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, die Abschiebung. Bernd Siegler
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