■ Querspalte: Mutti, Mutti, Mutti
Für ihn, schrieb Ödipus in seinem Hauptwerk „Warum ich ein glücklicher Mensch bin“, sei die Sache klar, für ihn sei das ganze Jahr über Muttertag. Der Mann hatte es gut, war aber blind und ein Mann und deshalb irgendwie vorbelastet. Einige Jahre später nahm Johnny Cash eine Single in deutscher Sprache auf und damit die tiefe Verunsicherung der Männer heute quasi vorweg: „Wo ist zuhause, Mama?“
Bald danach kursierte in kommunalen Kinos der Kurzfilm eines kanadischen Regisseurs. Der Film behauptete, „Knoblauch ist zehn Mütter wert“, und war genau das: eine mütterverachtende Hymne auf die Knolle. Und eine gewagte Behauptung, gewiß, die vor nicht allzu langer Zeit von einem Gerichtsurteil denn auch nicht bestätigt wurde. Den Eltern dreier bei einem Unfall getöteter Kinder sprach das Oberlandesgericht München Schmerzensgeld zu: der Mutter 60.000 Mark und dem Vater 30.000 Mark (AZ.: 3 U 468/95). Warum sind die Tränen des Vaters nur die Hälfte wert? Zwei nicht leichter zu beantwortende Fragen stellte Funny van Dannen vor kurzem: „Warum sagen wir Deutschen Mutti/von München bis Helgoldand/ach, Mutti,l Mutti, Mutti/was heißt Vaterland?“ – „Im Idealfall“, ergänzte H. Schmidt vor ein paar Tagen, seien „Mutter und Ehefrau ohnehin dasselbe“.
Auf knappem Raum läßt sich das ganze Dilemma nicht klären, halten wir uns an die harten Faktenfaktenfakten. In diesem Jahr wird der Muttertag von der Telekom gesponsert. Aber bevor wir morgen zum Hörer greifen, um mit Mutter zum, jawohl, Mondscheintarif zu telefonieren, sollten wir darüber nachdenken, ob die Telekom familienpolitisch nicht einen Fehler begangen hat. Denn jede Mutter wird morgen mißtrauisch werden, wenn das Telefon klingelt. Das eigene Kind ruft doch bloß an, weil's praktisch umsonst ist. Klug und richtig wäre gewesen, die Einheit am Muttertag etwa 198 Mark kosten zu lassen. Mit einem Blick auf die Uhr wüßte jede Mutter, was sie ihren Nachkommen bedeutet. Und wenn sich nichts rührt, erst recht. Dietrich zur Nedden
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