Wenn PDS-Bürgermeister sparen müssen

■ Einsparen und trotzdem politischen Widerstand leisten: Die PDS im Berliner Bezirk Marzahn streitet über die richtige Taktik. Bürgermeister war zu angepaßt

Berlin (taz) – Eine Genossin empfiehlt Rosa Luxemburg. Die Kommunalpolitik der PDS müsse zum „Kampfmittel gegen die Zentralgewalt werden“, fordert sie mit den Worten der Klassikerin. Doch die PDS im Berliner Bezirk Marzahn tut sich schwer damit. Seit Wochen liegt sie in dem Ostberliner Neubaubezirk im Clinch mit ihrem Bürgermeister. Dieser hatte sich in den Augen der Basis gleich eine Reihe von Vergehen zuschulden kommen lassen.

Ohne die Partei einzubinden, habe Buttler selbstherrlich politische Entscheidungen gefällt. Im Bezirksamt habe er die unsoziale Sparpolitik des Senates umgesetzt, gegen die die Partei entschiedenen Widerstand leiste. Zu guter Letzt habe Buttler am 1. Mai untätig und verharmlosend zugesehen, wie etwa 300 Neonazis durch die PDS- Hochburg marschierten und jugendliche Antifas anschließend in skandalöser Weise als Chaoten beschimpften, die nur auf Randale aus seien.

Am Freitag abend trafen sich die GenossInnen zur öffentlichen Aussprache. Im Mittelpunkt stand eine politische Turnübung, die ein Redner zum „Oppositionsverantwortungsspagat“ kürte.

Seit ihrem Wahlerfolg im Oktober 1995 stellt die PDS in vier Ostberliner Bezirken den Bezirksbürgermeister. Jetzt steht die erste Bewährungsprobe an. Fast eine Milliarde Mark müssen Berlins 23 Bezirke in diesem Jahr einsparen. Seit Monaten laufen Bezirkspolitiker aller Parteien Sturm gegen dieses „Spardiktat“, mit dem die große Koalition versuche, den Landeshaushalt auf ihre Kosten zu sanieren. Doch als einer der ersten Bezirke meldete Ende April ausgerechnet das von der PDS dominierte Bezirksamt von Marzahn Vollzug und erfüllte die Sparauflagen.

Harald Buttler ist sich keiner Schuld bewußt. Er warnt im Stil der politischen Konkurrenz vor den Konsequenzen des Streits. Bei den Investoren in Marzahn herrsche große Unsicherheit darüber, ob die PDS noch eine „kalkulierbare Größe“ sei.

Er sei zum Bürgermeister aller Marzahner gewählt worden und fühle sich verpflichtet, unter Ausschöpfung der „Möglichkeiten der demokratischen Gesellschaft“, das Beste für die Menschen im Bezirk herauszuholen. Er sei für die eigene Gestaltung, erklärt er seinen Genossen. Denn setzen die Bezirke die Senatsvorgaben nicht konkret um, droht ihnen ein Sparkommissar aus der Berliner Finanzverwaltung. Dieser könnte im Sozial- und Kulturbereich gerade dort sparen, wo es den Marzahnern am meisten weh tue.

Auch der PDS-Bürgermeister des Nachbarbezirks Hellersdorf nimmt an der Versammlung teil. Er will den Senat mit einer Deckungslücke im Bezirkshaushalt herausfordern. „Die Finanzsenatorin“, so Uwe Klett, „soll in meinen Bezirk kommen und sagen, wo ich sparen soll.“ Dann sehe sie endlich, daß ihre Vorgaben nicht zu realisieren seien, ohne gesetzlich vorgeschriebene Leistungen der Kommune einzuschränken. Und sollte der Bezirk schließlich doch gezwungen werden, Kultur- und Sozialeinrichtungen zu schließen, dann wüßten die Wähler wenigstens, wo die Verantwortlichen sitzen.

Doch das Dilemma der Bürgermeister ist das der Berliner PDS. Sie hat keine überzeugende Strategie, wie sie ihre radikale Oppositionspolitik im Berliner Abgeordnetenhaus mit den politischen und finanziellen Zwängen verbinden soll, denen ihre Bezirksbürgermeister unterliegen.

Genosse Buttler zeigt sich nach der sechsstündigen kontroversen Diskussion tief betroffen, und schließlich gewährt ihm die Partei eine Bewährungsfrist. Mit 63 gegen 20 Stimmen lehnen es die Delegierten ab, einen Abwahlantrag gegen ihren Bürgermeister zu fordern.

Im Bezirksparlament will die PDS nun die Beschlüsse ihres Bürgermeisters korrigieren. Einige Genossen allerdings machten nach der Versammlung deutlich, der Bürgermeister müsse sich nun ihrem Widerstand gegen die Sparpolitik des Senates anschließen, sonst würden sie doch seinen Rücktritt fordern.

„Ich werde mein Bestes geben“, verspricht der Bürgermeister. Doch jeder im Saal ahnt, der nächste Konflikt wird nicht lange auf sich warten lassen. Ein Kämpfer ist Harald Buttler eben nicht, sondern wie viele einstige SED-Mitglieder ein Bürokrat. Christoph Seils