piwik no script img

Die Opfer werden zu Verdächtigen

Nach den Anschlägen auf afroamerikanische Kirchen wächst die Kritik an den US-Ermittlungsbehörden. Bürgerrechtler machen die Republikaner für die Gewalt mitverantwortlich  ■ Aus Washington Andrea Böhm

Dieses Mal mußte die texanische Feuerwehr ausrücken. Zwei Kirchen schwarzer Gemeinden in der Kleinstadt Greenville gingen am Sonntag nach Brandanschlägen in Flammen auf. „Lokaler Vandalismus“, erklärte ein Sprecher der Polizei, ohne weitere Angaben machen zu wollen. Zu möglichen Motiven wollten sich die Behörden nicht äußern – doch für viele schwarze Bewohner der Stadt stehen sie außer Frage: Greenville gilt als eine Hochburg regionaler Ku-Klux-Klan-Gruppen.

Die Zahl der Brandanschläge gegen afroamerikanische Kirchen im Süden der USA innerhalb der letzten 18 Monate ist damit auf 32 gestiegen. Am Montag war eine Delegation von Pastoren, deren Kirchen niedergebrannt worden sind, in Washington mit Justizministerin Janet Reno und Finanzminister Robert Rubin zusammengetroffen, um einen effektiveren Einsatz von Ermittlungsbehörden zu fordern. Nach Angaben des US- Justizministeriums wurden bislang sechs Tatverdächtige, darunter mehrere Mitglieder rassistischer Organisationen, im Zusammenhang mit sechs der 32 Anschläge festgenommen. Am Montag erhob die Staatsanwaltschaft im Bundesstaat South Carolina Anklage gegen ein weißes Mädchen. Die 13jährige hatte gestanden, letzte Woche eine afroamerikanische Kirche in Charlotte in Brand gesteckt zu haben.

In Washington übten mehrere Geistliche scharfe Kritik an Fahndern des FBI und des „Bureau of Alcohol, Tobacco and Firearms“ (ATF), das dem Finanzministerium untersteht. Statt sich bei den auf mögliche Täter im rechtsradikalen Umfeld zu konzentrieren, hätten FBI und ATF in mehreren Fällen die betroffenen Pastoren und Gemeindemitglieder ins Zentrum ihrer Ermittlungen gestellt. Geschäftsunterlagen der Gemeinden wurden beschlagnahmt; einige Pastoren mußten sich Tests am Lügendetektor unterziehen; Gemeindemitglieder wurden von FBI-Beamten vom Arbeitsplatz zur Vernehmung abgeholt.

„Die Opfer werden zu den Verdächtigen gemacht“, erklärte Pfarrer Mac Charles Jones vom „National Council of Churches“ dem Fernsehsender CNN. Reno und Rubin räumten ein, daß es in einigen Fällen an der „nötigen Sensibilität“ gefehlt habe. Eine Fahndungskommission des Bundes soll nun die Ermittlungen in den mittlerweile neun Bundesstaaten koordinieren und Präsident Clinton regelmäßig Bericht erstatten.

Allerdings dürfte es wenig zur Beruhigung der Pastoren und Gemeindemitglieder beigetragen haben, daß ursprünglich zwei ATF- Fahnder der Kommission beigeordnet waren, die an Picknick- Treffen von Polizisten teilgenommen hatten, bei denen T-Shirts mit dem Konterfei Martin Luther Kings im Fadenkreuz verkauft und Schilder mit der Aufschrift „Kein Zutritt für Nigger“ aufgestellt worden waren. Nach Angaben der Zeitschrift Time sind die beiden ATF-Polizisten inzwischen versetzt worden.

Unterdessen wird nicht nur in den Südstaaten immer heftiger darüber gestritten, inwieweit das zunehmend konservative politische Klima der letzten Jahre für die wachsende Militanz gegen Schwarze verantwortlich zu machen ist. „Wir ernten hier, was wir gesät haben“, erklärte Deval Patrick, stellvertretender Generalstaatsanwalt, der im Justizministerium für Bürgerrechte zuständig ist. „Wenn man sich Radio-Talkshows oder die Rhetorik einiger Kongreßabgeordneter anhört... dann kann man sehen, daß in diesem Land nicht gerade dazu ermutigt wird, sich mit den Problemen anderer zu solidarisieren.“

Schwarze Bürgerrechtler wie Jesse Jackson hatten in den letzten Tagen auch die Mobilisierung der Republikaner gegen Antidiskriminierungsmaßnahmen sowie die zunehmend minderheitenfeindliche Rechtssprechung der Gerichte für die wachsende Gewalt verantwortlich gemacht.

Im US-Bundesstaat South Carolina, wo bislang die meisten Brandanschläge verübt worden sind, ist der republikanische Gouverneur David Beasley Zielscheibe massiver Kritik geworden. Beasley hat zwar die Anschläge deutlich verurteilt, verteidigt jedoch weiterhin die Konföderierten-Flagge als offizielles Symbol seines Bundesstaates.

Erste Anzeichen militanter Gegenbewegungen gab es nun in Texas. In Greenville tauchten sowohl Vertreter von Louis Farrakhans separatistischer „Nation of Islam“ als auch Angehörige der „New Black Panthers“ auf. Letztere erklärten, schwarze Kirchen in Zukunft notfalls mit der Waffe in der Hand zu verteidigen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen