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■ StandbildSaturiert verdummte Linke

„Kinderfotos – Wieviel Nacktheit ist erlaubt?“ Montag, N 3, um 23 Uhr

Der Hamburger „Talk vor Mitternacht“ hatte einen dramaturgischen Fehler: Die Bilder nackter Kinder von Jock Sturges, die der Stern veröffentlicht hatte, taugen nicht für einen Skandal. Das hatte sogar die Illustrierte gemerkt und deshalb den Fotografen gegen Anschuldigungen in Schutz genommen, die gar niemand erhoben hatte.

So mußte die Psychologin Heidrun Brauer Zensurgelüste so gründlich zur Schau stellen, daß die Fotos von Sturges notfalls mitgemeint waren: Ahnungslos hat sie einst mitgemacht bei Demos, FKK und freier Liebe. Sogar David Hamilton war für sie okay. Nun aber weiß sie, daß „ein Drittel aller Frauen mißbraucht“ wurde, fürchtet, daß „die Reize sich summieren“, reklamiert den „Werteverlust“ und plädiert dafür, „deutsch/gemütlich/freundlich zu sein“. Mit grauer Mähne und ständig gelüpften Augenbrauen ist sie die perfekte Verkörperung der humorlosen, paranoiden, saturiert verdummten Linken, die am liebsten ihre Suade ohne Widerspruch ablassen würde. Doch leider sind da noch die anderen. Zum Beispiel Erika Reinhardt von der CDU, der es auch vor nackten Teens gruselt, sofern es „Kinder von Fremden“ sind.

Falls es ein Problem gibt, war es von Moderator Thomas Kühn wohl doch etwas vage angesprochen: Auf einem der Sturges- Fotos erkannte er „ein nacktes Kind. Keine Schamhaare da.“ Soll vorkommen. Einzig Professor Joachim Knoll, der als Gutachter für die Bundesprüfstelle arbeitet, mühte sich brillant um Unterscheidungen, denen niemand zu folgen gewillt war. Sprach vom Ethos der Selbstbestimmung, das vom Bündnis Therapeutin/CDU offen oder impliziert negiert wurde. Einigermaßen erstaunlich: Keiner in dieser Runde war mit dem Werk über den Stern-Bericht hinaus vertraut. Selbst das simpelste Kriterium, nämlich daß es sich um schwarzweiße Bilder handelt, fand keine Erwähnung. Erst recht bezweifelte niemand, daß die Mädchen auf diesen Fotografien „schön“ seien (im Gegensatz etwa zu hochnäsig oder plump).

Wirklich brisant in dieser Runde war Günter Blum, der Ruhigste. Seine Fotografien von in S/M-Posen aufgetakelten Frauen wurden – zusätzlich zu einigen von Sturges – dem Publikum dargeboten. Therapeutin Brauer fand diese Bilder „schön“; man wüßte gern, warum. Ulf Erdmann Ziegler

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