: Miniatur-Technologie
■ Actuator '96: Fachkongreß über die kleinste Technik für das 21. Jahrhundert im Bremer Park Hotel eröffnet
Die Liste der „Participants“ ist eindrucksvoll: Frankreich, Italien, Dänemark, Schweiz, USA, Korea, Japan, Ukraine – 300 Teilnehmer aus aller Welt sind seit gestern im Bremer Park Hotel eingeschrieben, um an der Fach-Konferenz „Actuator '96“ teilzunehmen. Da geht es um „Formgedächtnislegierungen“, „Fluidtechniken“, elektromagnetische und magnetostrictive Aktuatoren. Die Landessprache im Park-Hotel in diesen Tagen ist bei den gut 30 Fachvorträgen und an den Ständen selbstverständlich englisch. Mit ca. 100 Millionen Mark im Jahr fördert die Bundesregierung Entwicklungsprojekte auf dem Gebiet der Mikrosystemtechnik, mit 500.000 Mark im Jahr hilft das Land Bremen „seiner“ Technologie-Consult-Gesellschaft „Axon“, die die Kongresse alle zwei Jahre ausrichtet.
Worum es dabei geht? Wenn Außenstehende auch auf die dritte Nachfrage nichts verstanden haben, dann sagen die Kongreßbesucher in schlichtem Deutsch: Um die Technik des 21. Jahrhunderts. Das allerdings heute schon begonnen hat: In jedem Airbag steckt ein Stück der Mikrosystemtechnik, in jedem ABS-Bremssystem. Diagnose- und Analyseverfahren nutzen die Miniatur-Techniken; wenn Hochhäuser in erdbebengefährdeten Gebieten mit „aktiven Schwingungsdämpfern“ ausgestattet werden oder Schiffsmotoren „aktiv“ gedämpft werden, immer sind die neuen Technologien dabei. Sie machen die alte Technik genauer, erheblich kleiner, schneller, ungleich präziser, in der Serienproduktion billiger.
An verschiedenen Ständen der Ausstellung im Park Hotel wurden zum Beispiel Flüssigkeiten vorgestellt, deren Viskosität durch Magnetfelder veränderbar ist. Damit kann man leicht verstellbare Schwingungsdämpfungen erreichen, ganz banal etwa für LKW-Fahrersitze. Ein 1994 erstmals in Bremen vorgestellter Mechanismus mit magnetorheologischen Flüssigkeiten ist schon nach zwei Jahren in Serienproduktion gegangen – für Flüssigkeitsbremsen in Heimtrainern in den USA. Der Effekt beruht darauf, daß Eisenfeilspäne in einer besonderen Flüssigkeit schweben. Je nach der Stärke äußerer Magnetfelder können die Eisenfeilspäne einen engen Durchlaß teilweise oder ganz sperren – das Prinzip ist als verschleißfreier, schnell und präzise reagierender Mechanismus, der nur wenig Energie verbraucht, vielfältig anwendbar.
„Highlight“ auf der Fachkonferenz ist ein „Mikromotor“ mit einem Durchmesser von nur 1,9 Millimetern, der eine Leistung von 100.000 Umdrehungen pro Minute erreicht.
Southampton (9'96), Berlin (11'96), Hawaii (11'96) – weltweit reißt man sich um die Fachleute und ihre Konferenz-Termine, bezahlt wird in Dollar oder Yen, und Bremen ist in dieser Liste dabei. Allerdings mehr mit wissenschaftlichem Interesse, an der Uni gibt es mit IMSAS eigens ein Institut für diese Technologien, weniger mit eigenen wirtschaftlichen Anwendungen. Einziger Bremer Aussteller auf der Actuator '96 ist die STN Atlas Elektronik. Die Teilnehmerliste spiegelt dies wider: Von den 300 angemeldeten Kongreßbesuchern sind nur eine Handvoll aus Bremen, hinter den Namen steht entweder Universität oder STN. Die Entwicklung der Techniken des 21. Jahrhunderts kennt keine regionale Bindung.
Während das Park Hotel gestern Bremens Zukunftshoffnungen beherbergte, war es im modernen Kongreßzentrum CCB an der Bürgerweide gähnend leer. Nicht einmal einer der kleineren Säle war besetzt, Borgward-Saal – leer, Salon London – ungenutzt, Salon Roselius – kein Bedarf. Warum geht ein Technologie-Fachkongreß wie „Actuator“ nicht in das hypermoderne Gebäude des „CCB“? Hubert Borgmann „General Chairman“ der „Aktuator“ von der Bremer Axon-Technologieberatungsfirma, hat dafür eine einfache Erklärung: „Das Ambiente hier ist diesem Publikum angemessener. Der Blick ins Grüne.“ K.W.
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