: Rückkehr nach Vietnam zu verkaufen
Vietnamesen, die freiwillig in ihre Heimat zurückkehren wollen, müssen bei der Botschaft in Berlin bis zu 3.000 Mark für ein Visum hinblättern. Andere schleichen sich wieder ins Land ■ Aus Berlin Vera Gaserow
Verkehrte Welt – während Bonn darauf drängt, in Deutschland lebende Vietnamesen schneller abschieben zu können, müssen sich Vietnamesen die Rückkehr teuer erkaufen. Wer aus freien Stücken in die Heimat zurück will, braucht etliche blaue Scheine. Ein- bis dreitausend Mark, unter der Hand bezahlt, kostet das nötige Einreisevisum, erhältlich bei der Außenstelle der vietnamesischen Botschaft in Berlin.
Von denen, die diese Bestechungssumme gezahlt haben, möchte niemand dieses Geschäft bezeugen, aber unter Vietnamesen ist die erkaufte Rückkehr ein offenes Geheimnis: über Verbindungen zur vietnamesischen Konsularabteilung arrangieren einschlägig bekannte Übersetzungsbüros oder Im- und Exportläden den Handel – deutsche Mark gegen Einreisevisum.
Dabei hatte das deutsch-vietnamesische Rückübernahmeabkommen im Juli letzten Jahres alles korrekt und penibel arrangiert. Danach sollten die freiwilligen Rückkehrer ihre Heimreise nicht wie bisher bei ihrer Botschaft beantragen müssen, sondern bei den deutschen Ausländerbehörden. Von hier aus sollten die Daten der Rückkehrer dann auf einer Liste nach Vietnam geschickt werden, um dort die Identität zu überprüfen. Doch ähnlich wie bei den Vietnamesen, die abgeschoben werden sollen, lassen sich die vietnamesischen Behörden auch mit der Überprüfung der freiwilligen Rückkehrer monatelang Zeit.
In einem schriftlichen Anhang zum Rückübernahmeabkommen hatte sich Vietnam zwar verpflichtet, die Einreiseformalitäten der freiwillig Zurückkehrenden „vorrangig zu überprüfen und zu erledigen“. Faktisch jedoch macht die vietnamesische Regierung eine freiwillige Rückkehr unmöglich – es sei denn die Leute zahlen dafür.
Ein Blick auf die eigene Statistik hätte der Bundesregierung die Arbeitsweise des vietnamesischen Vertragspartners längst demonstrieren können: In den elf Monaten seit Unterzeichnung des Rückübernahmeabkommens, so teilte das Bundesinnenministerium jetzt auf eine Anfrage der PDS mit, sind nur 15 Vietnamesen freiwillig zurückgekehrt. Was die Antwort verschweigt: Eine unbekannte Zahl ist längst zurückgereist – auf Wegen, die es offiziell gar nicht gibt. Die deutschen Ausländerbehörden müßten das wissen – immer wieder beantragen Vietnamesen bei ihnen die Herausgabe ihres Passes.
Wer das Geld für die Bestechung nicht hat oder nicht zahlen will, hängt in der Luft. Beratungsstellen für Vietnamesen wissen von Landsleuten, die schon vor einem Jahr einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt haben und – notgedrungen – noch immer in Deutschland sind. Andere leben längst in Vietnam – die Frage, wie sie das bewerkstelligt haben, beantworten sie mit einem vielsagenden Lächeln.
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