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Wie Meinungsmacht Gesetze macht

Staatskanzleien und Ministerpräsidenten beraten in Bonn die neuen Gesetze zu Medienkonzentration und „unabhängigen Fensterprogrammen“. Weil die TV-Konzerne befriedigt sein wollen, sind wieder alle Fragen offen  ■ Von Lutz Meier

Vom „Feinschliff“ war die Rede. Nur noch Details, so hieß es vor Wochen, seien zu klären. Und schon könnten die neuen Mediengesetze von den Ministerpräsidenten der Länder abgehakt werden. Doch dann meldeten sich, grob hobelnd, die Spitzenkräfte der Medienkonzerne und einzelne Ministerpräsidenten zu Wort. Der Kompromiß in Sachen Konzentrationsrecht, unabhängige „Fensterprogramme“ und Rundfunkgebühr, der Ende dieser Woche beschlossen werden sollte, war keiner mehr. Es wird also spannend, wenn sich ab heute und am Wochenende die Chefs der Staatskanzleien und die Ministerpräsidenten in Bonn treffen, um den „Katalog offener Medienfragen“ zu beraten. Falls sie sich nicht einigen, ist ein „Nottermin“ im August schon anvisiert.

Die Länderchefs wollen möglichst schon zu Beginn des Jahres 1997 rechtliche Klarheit für die Fernsehmultis schaffen. Die Regelungen sollen so aussehen, daß dann jeder Konzern soviel Kanäle betreiben darf, wie er lustig ist. Nur die eine Grenze soll es noch geben: Nicht mehr als 30 Prozent der ZuschauerInnen dürfen die Programme eines Konzerns zusammen erreichen, jedenfalls nicht auf Dauer.

Mit dieser Regelung, so hieß es zunächst nach dem Bekanntwerden des Plans in den Konzernspitzen von Bertelsmann und Kirch, könne man leben. Schließlich bleiben beide Konzerne derzeit knapp unter der 30-Prozent-Marke und könnten so, wie gehabt, den Markt unter sich aufteilen.

Doch wollen beide endlich auch in die digitale Zukunft der vielen Kanäle durchstarten – Kirch noch in diesem Monat. Deshalb nun reicht ihnen die Einigung der Bundesländer in einigen Punkten nicht mehr. Bertelsmann, der drittgrößter Medienkonzern der Welt, schickt sich an, seine TV-Tochter Ufa mit dem luxemburgischen Konzern CLT zu verschmelzen. Und das Reich beider (RTL, RTL 2, Super RTL, Vox, premiere) dehnt sich bis hart an die 30-Prozent-Grenze aus.

Besonders auf einen Punkt des geplanten Konzentrationsrechts kaprizieren sich alle Senderbetreiber: Wenn ein Sender mehr als ein Zehntel der Zuschauer erreicht, so heißt es da, soll er einen „unabhängigen“ Veranstalter stundenweise mitsenden lassen. Bertelsmann schrieb in einem Brief an drei unionsgeführte Staatskanzleien, wie man sich die Regelungen vorstellt: Die „Unabhängigen“, so Mark Wössner, Vorstandschef des Gütersloher Konzerns, wolle man sich selbst aussuchen. Und den Zurechnungsmodus wünsche man sich so, daß die eigenen Sender unter der 30-Prozent-Marke bleiben. Auch im Münchner Vorort Unterföhring, wo Leo Kirch residiert, wurden „Textvorschläge“ verfaßt.

Nordhein-Westfalens Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), der vom „Feinschliff“ gesprochen hatte, präzisierte sich in beiden Punkten an die Wünsche des Multis heran. Zu ihm gesellte sich Sachsens Regierungschef Kurt Biedenkopf (CDU), dem es zudem um die Anfechtung der anstehenden Gebührensicherung für die Öffentlich-Rechtlichen geht – ARD und ZDF hält er sich als Geiseln in Sachen Konzentrationskontrolle. Langsam, aber sicher wurden die bereits gefundenen Regelungen aufgeweicht. Statt der beschlossenen 30 Prozent ist nun nur noch von einer Marke von „X Prozent“ die Rede, ab der das Gesetz auf „Meinungsmacht“ erkennt. Und das eine der zur Entscheidung vorgelegten Modelle will bei „X Prozent“ Meinungsmacht nur mehr widerlegbar vermuten. Der Sendereigner muß dann bloß noch „vielfaltsichernde Maßnahmen“ einführen, zum Beispiel einen Programmbeirat, schwupp, ist die Meinungsmacht keine mehr. Er dürfte fröhlich weiterexpandieren.

Fraglich ist auch wieder, welche Sender überhaupt einem Konzern zugerechnet werden – und wie. Bislang sollten alle Beteiligungen ab 10 Prozent mitzählen. Nun tauchen Rechnungen auf, die bis 25 Prozent gar nicht und bei Minderheitenbeteiligungen nur einen Teil rechnen wollen. Bertelsmann/CLT wären aus dem Schneider.

So verdichtet sich die Diskussion auf die Senderechte für „unabhängige Dritte“. Doch „unabhängig“ heißen die in der Konferenzvorlage gar nicht mehr. Kein Wunder. Hätten doch die TV-Sender nach Vorauslese durch die Landesmedienanstalten eine „Mitauswahl“. Beispiel: Für Bayern und Sachsen könnte schon die „Traumhochzeit“ ein solches „unabhängiges“ Fensterprogramm sein – weil eine „unabhängige“ Produktionsfirma (die der Geschwister de Mol) zuliefert.

„Wirksame Antikonzentrationsmaßnahmen“, so schwant es Beobachtern wie dem Bielefelder Medienrechtler Martin Stock angesichts solcher Regelungen, „werden im politischen Raum in Wahrheit kaum noch ernsthaft gewollt.“

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