■ Filmstarts à la carte: Wer möchte schon ein Dörrie-Leben führen
Bitte bestätigen Sie durch entsprechende positive Zuschriften, daß man dem Berliner nicht einfach alles vorsetzen kann, filmisch gesehen, und daß die Veranstalter mit einer Sache, die Agent 00 – Die Lizenz zum Totlachen heißt, hier keinen Blumenberg gewinnen werden. Von etwas wie Werner, das muß kesseln wollen wir hier gar nicht wieder anfangen, das regt bloß auf und schadet dem Kreislauf.
Das echte Preisrätsel besteht ja auch eher darin, die Frage zu beantworten, wie Keiner liebt mich von der an sich ja sogar vertraulich wirkenden Doris Dörrie auf der Leinwand eines Freilichtkinos funktionieren soll, wenn er schon im Fernsehformat so kläglich wirkt. Außer Polen kann man sich doch kein anderes Land auf der Erde vorstellen – schon gar nicht Brasilien –, wo der Mainstream trübsinniger ist als die sogenannten Randbereiche. Warum freut es irgend jemanden zu sehen, wie ein junges Mädchen (wie immer Maria Schrader) in einem erschütternden Kölner Hochhaus vor sich hin kränkelt, einen Selbstmordkurs besucht und einen armen Aidskranken in den Tod wiegt? Die Leinwand einer großen Freiluftbühne verschafft einem ja zusätzlich noch dieses Environment-Gefühl, so als lebte man in dem Film – Gott bewahre!
In Indien gibt es, man glaubt es kaum, wenn man dort mal gewesen ist, eine gewisse Tradition für kampfsportelnde Flintenweiber, die Kinostars werden. Fearless Nadja war so eine. Ihre Eltern waren Kolonialbemate, aber sie schlug sich sehr früh auf die andere Seite und nahm Unterricht in indischem Tanz. Keineswegs erschöpfte sich das bei ihr in schlangenartigem Armringeln und ruckartigem Kopfschieben. Vielmehr konnte sie prächtige Stunts, Hügel hinab und in Flüsse hinein, auf und über Pferde und schließlich aus der eigenen Hose in galante Miederware. Dazu konnte sie eklatant mit den Augen rollen, daß die gebürtige Orientalin der Sozialneid packt und schüttelt. Auch war sie charmant mit den Herren.
Es sitzt sich sehr samten im neuen Kino in den Hackeschen Höfen, wenn man es erst mal gefunden hat, was aber an sich schon ein reizvolles Unterfangen ist, denn man klettert durch eine von diesen neuerdings so beliebten Baustellen. Beim Klettern trifft man auf Leute, die sich dort zu einer Modenschau eingefunden haben und von Film überhaupt nichts wissen wollen, oder auf düster geschminkte Zugereiste, die genau wissen, daß es hier nie ein Kino gegeben hat und auch niemals geben wird. Gastronomie wird künftig in der sogenannten Zeobar stattfinden. Die Bar erstreckt sich entlang der Jugenstilfassade. Es befindet sich über dem Café Chamäleon. 600 Menschen könnten Platz haben. Popcorn springt bereits lustig. Vorbild sind die Hamburger Zeisekinos, die auch unter ihrem Dach mehrere divergente Programmkonzepte vereinen: vom „anspruchsvollen Erstaufführungskino“ bis zum „klassischen Programm“ bis hin zum Off. Mitternachtsschiene und Kinderfilme sind auch geplant. mn
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