: Wirkung
Wo meine Stammkunden, die Lürikerin Frau Hütlein und Zahnarzt Dr. Raffler, ganz und gar nicht zusamm'komm', ist das Gebiet alternative Medezin. Herr Dr. Raffler sagt nämlich, das einzig Solide und Handfeste inne Medezin ist de Schirurgie oder auch das Zähneziehn, weil man da, auch als Pazient, sehn und fühln kann, daß da was passiert ist. Frau Hütlein meint dagegen, daß diese fein' Kräfte ausse Natur, die auffe Füsis und Psüche zugleich wirken, also mehr ganzheitlich sind, und wo de Schulweisheit sich nix von träum' läßt, daß die an meisten bring'. Und gibt das da 'ne total starke Sache. Steht alle Augenblick was inne „Esotera“ über diese Methode, aber auch schon mal inne taz, was ja nu wirklich kein seriöses Blatt ist. Und mein ich diese Bachblüten-Terapie. Da sind aber nu keine Blüten mit gemeint, die an ein' Bach wachsen, also Sumpfgewächse. Nee, der Erfinder von diese Terapie hieß Bach, und hat sich dermaßen in seine Forschung' reingekniet, daß er schon mit 50 Jahre vor Erschöpfung den Löffel abgegeben hat. Jedenfalls funktioniert das so: Wenn man auf ein' Liter Wasser, möglich aber nicht ausse Elbe oder ausse Nordsee, sondern eher von ein' Bächlein, was aber auch nicht zu sehr von Gülle oder Pestizide oder sonne Scherze versaut sein darf, also, wenn man da bestimmte Blüten und Pflanzen raufstreut und das alles ungefähr 'ne Stunde lang vonne pralle Sonne bestrahln läßt, denn gehn die Kräfte vonne abgepflückte Pflanzen in das Wasser über. So inne Art, als wenn du Suppenknochen auskochst, bloß, daß das hier vegetarisch ist. Und die Wirkung ist so stark, daß man die Brühe paartausendmal verdünn' muß. Also ist denn noch dünner als'n Kaffee in ein Seniornheim. Aber wird danach mit ein kräftigen Schuß Kognak oder Rum aufgebessert, daß das zun Schluß sonne Art Mischung aus kalten Grog und Kräutertee ist. Und hilft garantiert bei alle Depression'. Also: Wenn du zun Beispiel dein' Job verlorn hast und möchtest dich an liebsten aufhäng: paar Buddels – die habn ja das Format vonne lütten Magenbitterschluckies, bloß, daß sie nicht zwei, sondern 20 Mark kosten – vorn Hals, und du hast sonne gute Laune, als hättest du dir grade „Mainz bleibt Mainz“ oder de „Lustigen Volksmusikanten“ reingezogen. Oder mal angenomm', deine Frau kommt ins Krankenhaus, so daß du dir dein' Fraß alleine zusamm'rührn mußt... oder du wirst in deine Firma auf Zentimetergröße runtergemobbt: schnell paar Bachblütenpulln angesetzt, und du siehst die Welt wieder in' rosigen Licht. Guck dir doch mal unsen optemistischen Kanzler an und sein' gutgelaunten Finanzminister und den Herrn Blüm mit sein' Dauerlächeln oder auch unse grien'den Herrn Voscherau und Wrocklage: Alles Bachblüten-User!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen