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6. Januar„19 C + M + B 97“

■ Wie aus Sterndeutern drei Könige werden

„Ohne eine Vielfalt der Feste kann sich der Mensch augenscheinlich nicht entfalten“, meint der Sprecher der katholischen Kirche in Bremen, Wilhelm Tacke. Dies ist das Geheimnis auch der „Heiligen drei Könige“, die wir am 6. Januar feiern.

In der Bibel steht von alledem nichts. Der Evangelist Matthäus weiß nur von „Sterndeutern“ unbekannter Anzahl: „Als Jesus zur Zeit des Königs Herodes zu Bethlehem in Judäa geboren worden war, kamen Sterndeuter aus dem Osten nach Jerusalem und fragten: Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Auch mit dem 6. Januar hatte das noch nichts zu tun.

Erst der orientalische Gelehrte Origenes (er wurde im Jahre 185 nach Chr. geboren) schloß aus der Zahl der Geschenke (Gold, Weihrauch, Myrrhe) auf die Anzahl der Sterndeuter. Als die Christen die Wiederkehr Gottes nicht mehr so unmittelbar erwarteten und deshalb den Geburtstag ihres Jesus von Nazareth zu feiern begannen, wählten sie zunächst den 6. Januar als Feiertag – da feierte man damals das Fest des Gottes Aion. An diesem Tag beging man das Dionysus-Wunder mit dem in Wein verwandelten Wasser. „Was lag näher als auch diesen Festinhalt christlich umzutaufen in das Fest der Taufe Jesu und des Weinwunders in Kanaa“, schreibt der Katholiken-Sprecher Tacke.

Dieser Festtag war im kaiserlichen Rom offenbar so populär, daß er für die frühe Kirche zur Gefahr wurden. In diesem Zusammenhang fanden die Sternedeuter aus dem Morgenland Eingang in den christlichen Festkalender: An die Stelle der Verweigerung der götzendienerischen Kaiserverehrung tritt die Anbetung des Gottessohnes durch die Magier. Effekt: Die Christen konnten mitfeiern, sie meinten aber nicht den Kaiser, sondern „ihren“ Christus. Zu Königen hatte der nordafrikanische Theologe Tertullian (geb. 160 n.Chr.) die Sternedeuter befördert, seit dem frühen Mittelalter tauchen auch in Bildnissen die gekrönten Häupter auf.

Kaspar, Melchior und Balthasar standen damals für die drei Lebensalter, sie repräsentierten Jüngling, Mann und Greis. Im 12. Jahrhundert gibt es eine letzte Veränderung: Aus Kaspar, dem Vertreter der Jugend, wird der Mohrenkönig. Anlaß dafür sind die Kreuzzüge sowie die Kämpfe der Spanier gegen die Mauren. Schwarze werden in Europa bekannt, die drei symbolisieren fortan die drei bekannten Erdteile.

Im Jahre 1158 wurden in einer Mailänder Kirche die Gebeine der drei „Könige“ gefunden. Im 12. Jahrhundert kamen drei Finger nach Hildesheim, wo sie (bis zum 2. Februar) zur modernen Bewunderung im Dom-Museum, verborgen in einem Seidensäckchen, freigegeben sind.

Nicht nur die Benennung des Kasperle-Theaters verdanken wir dieser merkwürdigen Wandlung der Geschichte von den Sterndeutern, auch einen anderen populären Brauch: Das Sternsingen. Tausende von Kindern ziehen, wie auch am Nikolaus-Tag, durch die Straßen, bitten um milde Gaben und malen das „19 C+M+B 97“ an die Türpfosten. K.W.

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