Wand und Boden: Adoptiert Worte!
■ Kunst in Berlin jetzt: Heimrad Prem, Silvia Breitwieser, Adib Fricke
Früher wurden sie gefilmt, heute machen sie das selbst. Besonders elegant schließt sich der Kreis, wenn die Maler, die leben, die Maler verfilmen, die schon tot sind. Heimrad Prem ist nicht Basquiat, dennoch wäre er eine geeignete Figur. Als existentieller Grenzgänger, „der Leben und Kunst aufs engste miteinander verband“, wie das Faltblatt der Galerie Parterre vermerkt, in der eine Auswahl von Prems „Arbeiten auf Papier“ zu sehen ist.
Die frühesten Blätter zeigen zart hingekritzelte Bleistiftzeichnungen in einem leichten, bräunlichrosaroten Aquarellton. „Kreuzigung“ (1959) wirkt wie aus der Vogelperspektive aufgenommen und könnte auch eine Straßenkreuzung sein. Zwei Jahre später ist die Topographie bunter und „landschaftlich“ geworden. Durch das farbenfrohe, südliche „Dorf“ von 1962 stöckeln schicke Damen auf hohen Stilettos. 1962 ist auch das Jahr, in dem die Künstlergruppe SPUR, die Prem mit Lothar Fischer, Helmut Sturm und HP Zimmer gründete, aus der Situationistischen Internationale ausgeschlossen wird, wegen Mißachtung des Malverbots. Die S.I. hatte die Zeitläufte wohl richtig erkannt. Zwischen Informel und Neuer Figuration eingeklemmt, wurden Prem und seine Freunde von der sehr plötzlich unerwartet hohe Wellen schlagenden Pop- art überrollt. Da halfen keine Autobilder, half keine Pornographie (die auch etwas zu zahm geriet), kein LSD. Der Zugang zum neuen, kühl kalkulierenden Malen blieb Prem versperrt. 1978 nahm er sich das Leben.
Bis 20.4., täglich 14–20 Uhr, Danziger Straße 101
„Was macht die Kunst? – Sie geht nach Brot. – Das muß sie nicht“, sagt Gotthold Ephraim Lessing. Und das Lindenau Museum Altenburg stiftete diese Passage aus „Emilia Galotti“ für die „Botschaften. Musen- und Museumsbotschaften. Ein Trajekt“ von Silvia Breitwieser. Die Installation unter dem Patronat des Künstlerhauses Bethanien besteht aus 30 Wegweisern vom Typ gängiger Straßenschilder, die zu einem Kreis angeordnet wurden. Auf der einen Seite tragen sie den Namen eines Museums für Gegenwartskunst und dessen Telefonnummer, auf der Kehrseite stehen Statements und Essentials, die von den Museumsleuten geliefert wurden und die Programmatik des jeweiligen Hauses umreißen sollen. Ihre Faxe und Briefe, ablehnende, interessierte und auch begeisterte Reaktionen sind im Foyer der Kunstbibliothek einzusehen. Derweil deuten die Schilder draußen einerseits ins Offene, andererseits weisen sie auch die Himmelsrichtung, in der sich der geographische Ort des Museums befindet: Sinnbild für die Installation zwischen Denkfigur und Forschungsarbeit.
Die Situation der Museen ist heute aus vielen Gründen problematisch. Eine Nachfrage könnte also aufschlußreich sein. Beim Einfordern von Mottos erscheint aber eine gewisse vorgängige Infamie unverkennbar. Zumindest stehen die Museen mit ihren Sprüchen am Ende ziemlich doof da. „Ein Ort für die Kunst. Ein Haus des Dialogs“ fiel der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland ein, „Im Mittelpunkt: Kunst“ dem Neuen Museum Weserburg in Bremen. Und wenn man nicht gleich der Stimme der Autorität – „Denken ist Form“ (Joseph Beuys – Brandenburgische Kunstsammlungen Cottbus) – glauben mag, dann laufen die Botschaften auf einen Kursus in Corporate Identity für die gebildeten Stände hinaus. Am besten traf das Forum Ludwig für Internationale Kunst Aachen die Sache und schickte sein superblödes Logo „Die Neue Art Museum. Artists of the World“ ein. Kein Wunder, daß die Künstler nicht mehr ins Museum wollen. Aber wenn sie sich dann draußen, ohne ein Dach über dem Kopf, schon wieder in einem Museum befinden, nämlich dem „Avantgardetyp des zeitgemäßen Museums ohne Gebäude“, dann möchte man Silvia Breitwieser rundherum böse Absichten unterstellen.
Bis 30.4., Kulturforum am Matthäikirchplatz
Selbstverständlich sind die Künstler draußen den Museumsdirektoren in der Wortwahl deutlich voraus. Sie sagen einfach, worum es geht: Kunst als Dienstleistung. Worum es gehen könnte, wenn man die Planeten nicht immer gleich anders drehen müßte, kaum fällt das Wort Kunst. Adib Fricke etwa, Inhaber und einziger Geistesarbeiter der seit 1994 bestehenden „The Word Company“ (TWC), bietet von ihm neu erfundene, bedeutungslose Wörter wie „Onomono“ sowie „aus Worten bestehende Einheiten“ wie „In Words We Trust“ zum Kauf an. Bislang für den Käufer nur als Produktlinie in der Form von Stempel und Zertifikat materialisiert, lassen sich die Einheiten nun – wie seine Installation „Bloody Idioms In situ“ bei Barbara Weiss – auch als Wortbild für entsprechende Freiflächen ordern.
Bei Weiss teilte der Künstler drei Wandflächen in komplementäre Farbfelder in Blau und Orange auf, auf denen horizontal oder vertikal eingeschriebene Slogans wie „Adopt A Word oder...“ zu lesen sind. Jedes Wort erscheint in weißen oder schwarzen Buchstaben einer bestimmten Typographie. Durch Frickes strenge Anordnung überraschen die prächtigen Stuckräume der Galerie mit frischem Glamour. Über die Sprache kommt in „Bloody Idioms“ der Pop der Werbung mit der Rigorosität der monochromen Malerei ästhetisch überein. Kurz, es sieht klasse aus, und der Sinn des Wortemachens, konzeptuell wie kommerziell, läßt sich nicht mehr nur im komplexen Feld von Urheberrechtsfragen – also, was gilt als Kunst? – und Allgemeinen Geschäftsbedingungen – wie kann sie als solche vermarktet werden? – fassen. Es geht um eine neue figurative Malerei, wobei die Figur eine wortwörtlich rhetorische ist.
Bis 26.4., Di.–Fr. 12–18, Sa. 11–14 Uhr, Potsdamer Str. 93 Brigitte Werneburg
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