Wand und Boden: Bad-Boys-Humor
■ Kunst in Berlin jetzt: Oehlen, Stelzmann, Oppenheim
Es scheint alles sehr gut zu laufen bei Albert Oehlen. Seine Computerarbeiten in der Basler Ausstellung werden als Übergang in eine neue Phase patchworkartiger Malerei hochgeschätzt, mit seiner Band Jailhouse gelingt ihm die Verbindung von Free Jazz, Pop und Elektronik, und die Zeit kann noch immer nichts mit seinen Bildern anfangen. Da muß man überschwenglich werden: Für „Lass spielen (verlorene Kinder)“ hat der 1954 in Krefeld geborene Maler mit Wohnsitz La Palma in der Galerie Max Hetzler ein über 50 Quadratmeter großes Mosaik auf dem Boden ausgelegt, an dem reihenweise Assistenten das vergangene Jahr über gearbeitet haben.
Dabei geht „Lords“ auf eine unscheinbare Collage von 1994 zurück, eine Mischung aus Zeitungsfoto, Kunstgeschichte, Cartoons und lässigen Kurven mit dem Kugelschreiber. Links am Rand steht noch die knappe Botschaft: „Ich bin der Überzeugung, daß die schwersten Vorarbeiten bereits geleistet wurden.“ Hölzerne Polit-Rhetorik, die sich dennoch erstaunlich gut mit der ironisch zusammengewürfelten Skizze ergänzt – echter Bad-Boys-Humor eben.
Oehlen hatte damals seine ersten Übungen am PC hinter sich, die Malprogramme eigneten sich noch mehr für zittrige Mausklick-Linien und giftige Kommentare zum damaligen Stand der Korrektheits-Debatte, die ihn sehr geärgert haben muß. Heute sieht die Kunst sehr viel gelassener aus: Mal zeichnet Oehlen mit leichter Hand einen verbogenen Apoll unter der Discokugel, dann wieder vereinigt er auf „Icke“ tanzende Skelette mit Schreibunterlagen und Pixel-Bällen. Je weiter sich die technischen Standards der Bildauflösung am Computer verfeinert haben, desto grobkantiger werden bei ihm die Motive miteinander montiert. Man kommt nicht los vom Bild, aber Spaß macht es trotzdem.
Bis. 17.5., Di.–Sa. 11–18 Uhr, Zimmerstraße 88
Das Wort Realismus mag er nicht: „Ich male Figuren“, hat der mittlerweile auch schon 56jährige Volker Stelzmann der Bild erklärt, und daß ihn in seiner Kindheit Zigarettenbildchen und Renaissancegemälde besonders fasziniert haben. Seine in der Galerie Eva Poll ausgestellten „Bilder 1985–1997“ haben von beidem etwas und werden seinen Professorenkollegen an der HdK noch immer nicht gefallen.
Als Stelzmann 1986 von einer Reise nach West-Berlin nicht wieder in den Osten zurückkam, wurde er prompt als „Ausgebürgerter“ gehandelt. Erst zwei Jahre später kam es zum Skandal: Georg Baselitz wollte seine Professur an der HdK hinschmeißen, weil er nicht mit einem „DDR-Konformisten“ gemeinsam arbeiten könne. Schnell wehrten sich auch andere Hochschullehrer wie Raimund Girke, Kuno Gonschior oder Bernd Koberling mit einem offenen Brief gegen Stelzmanns Berufung: „Er ist ein ,großes deutsches Talent‘ der Anpassung.“ Offenbar befand er sich damit in guter Gesellschaft: Girke ist geblieben, Gonschior und auch Koberling.
Mittlerweile leitet Stelzmann also ungestört seine Klasse, und Realismus liegt nach dem Mauerfall durchaus wieder im Trend. Dabei orientiert sich der neusachliche Maler aus der Leipziger Schule an übermäßig dunklen Tönen der Farbpalette. Stets scheint die Armut auf seinen Straßenszenen in einen immer noch schwärzeren Abgrund zu stürzen, der bewußt auf die tiefen Schatten der Bilder von El Greco anspielt. Doch das Elend ist bloß Theater, zu prall leuchten dann ein paar Frauenbeine hervor, und zu aufgesetzt krümmt sich der Künstler auf „Werkstatt im Herbst“ (1990) über sein Zeichenblatt, während die Menschheit auf sein Haupt herniederprasselt. Die Sorge entpuppt sich rasch als Selbstschutz, wenn nicht Eitelkeit. Selten jedenfalls sah die Welt so vermufft und vermodert aus: „Selbst mit grauer Mütze“ zeigt den hageren Maler grimmig im Halbdunkel. Bei meinem Opa hing ein ähnliches Bild an der Wand – es war ein Portrait von Bismarck.
Bis 4.6., Mo. 10–13, Di.–Fr. 11–18.30, Sa. 11–15 Uhr, Lützowplatz 7
Dennis Oppenheim begann in den sechziger Jahren mit „Land art“, und folglich sind von den frühen Aktionen in der Mojave-Wüste oder auf zugefrorenen Seen nur Fotos übriggeblieben. Aber auch einige der Skulpturenprojekte wie „Launching Structure No.3“ in Genf scheiterten am Unmut der Bevölkerung, die keinen „Eiffelturm“ als Verschandelung ihres Stadtbilds wollte. Der Vergleich war schon richtig, denn Oppenheim geht es bei seinen Installationen um den Konflikt von natürlichem Raum und fortschreitender Technik. Jetzt wird das kratzfüßige Objekt aus zerklüfteten Stahlplatten und Röhren mit 15 weiteren „Factories“ in der Galerie Anselm Dreher dokumentiert.
Schon an den großformatigen Konstruktionszeichnungen erkennt man, mit welchem Einfallsreichtum der Kalifornier an seinen Monstren für den öffentlichen Raum arbeitet. Bis ins Detail werden alle Elemente auf ihre Statik geprüft, werden feine Drähte zwischen unförmigen Kegeln angepaßt, bis sich das Ganze zu einer überdimensionalen Figur fügt, die Duchamps großem Glas ähnelt. Tatsächlich nutzt Oppenheim futuristische Materialien (Glas, Stahl, aber auch Holz), aus denen er allerdings funktionsfähige Maschinen bastelt – schließlich stammt der 59jährige aus Electric City, Washington. Trotzdem sind die roboterartigen Apparaturen für ihn immer noch Abbild eines mental system, in dem Spannung durch das Aufeinanderprallen beweglicher Elemente symbolisiert wird. Plötzlich kämpfen Stahlkugeln in einem rotierenden Abakus als „Rolling Explosion“ miteinander.
Bis 31.5., Di.–Fr. 14–18.30, Sa 11–14 Uhr, Pfalzburger Str.80 Harald Fricke
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