■ Soundcheck
: Gehört: Camel Move Town

Gehört: Camel Move Town

Man hatte an alles gedacht. Nur nicht an das Wichtigste. Mitten in der gesichtslosen Industriebrache in Billbrook standen zwei Zelte im bunten Scheinwerferlicht. Willfährige Helfer teilten allenthalben Zigaretten oder Informationsschriften oder Ratschläge aus. Buden boten Gebrutzeltes feil, Bevis& Butthead torkelten über die Anlage zu einer Halfpipe, an der sich Skateboarder lässig gaben.

In dem kleinen Zelt, das nach verkohltem Gummi müffelte, warteten ferner gut 40 Computer mit Spielen und Internetzugang sowie in der „communication zone“eine Sitzgruppe mit Sofas. Unterschiedliche Klanglandschaften grenzten, ohne die Offenheit ganz aufzuheben, die einzelnen Räume voneinander ab. Man hatte also alles aufgefahren, was man sich bei einer Zigarettenfirma und den angeheuerten Werbeagenturen so unter einer „Erlebniswelt“für Jugendliche vorstellt.

Dennoch kamen nur wenige: Kaum mehr als 500 Zuschauer fanden sich an den beiden Tagen beim „Camel Move Town“ein. Durch die fehlenden Klangkörper im Publikum war aber auch der Sound in der auf 3000 Leute angelegten größeren Zeltkonstruktion durch Feedbacks, Hall und vielfach im Kreis geleitete Klänge bis an die Schmerzgrenze breiig. Vor allem bei Nicolette war das schade. Denn die freundliche Sängerin führte – entweder hochschanger oder endgültig zur Mummy gefuttert – ihr bisher überzeugendstes Konzert auf, indem sie ihren Drum'n'Bass-Texturen souverän Auslauf ließ. Als dazu aber die Bodenplatten vibrierten, war an Zuhören nicht mehr zu denken.

So wirkte die Technik der bewegten Stadt viel zu gegenwärtig, und ihre Erlebniswelten wurden zu Menetekeln einer losgelassenen Produktion, die am Publikum vorbeirast. Wie schon bei ihrem letzten Imagetransfer verkalkulierte sich die Zigarettenfirma nun beim Versuch, mit Sommerfestivals an die begehrte Gruppe der jungen Raucher heranzutreten. Schon jetzt bewirbt aber ein Konkurrent mit Macht die nächste Erlebniswelt, bei der dann hoffentlich auch an den Klang gedacht wird.

Volker Marquardt