: 15 Jahre Getränke-Haffmans Von Wiglaf Droste
Mal berühmt, häufig berüchtigt, in jedem Fall aber legendär sind die Umtriebe des Zürcher Verlegers Gerd Haffmans, der vor 15 Jahrren den Dienst als Diogenes-Lektor quittierte, um sein eigenes Haus zu bauen. Mit Autoren wie Eckhard Henscheid, Robert Gernhardt und Hans Wollschläger, laut Haffmans die bedeutendsten lebenden Schriftsteller deutscher Zunge, wollte Haffmans zu Reichtum und Ruhm gelangen. Das war – zumindest, was Gernhardt und Henscheid betraf – kein schlechter Plan; Wollschläger allerdings erlangte Berühmtheit nur als literarische Figur, als Hans Wüllenweber in Henscheids Geschichte über den Ausflug der Haffmans-Autoren nach Paris, der sich zu einer onanistischen Orgie auswächst.
Recht früh schon zeigte sich bei Haffmans die Tendenz zum Krämern. Das wohlfeile Verschenkbuch, eigentlich den Abgreifern von Eichborn vorbehalten, hielt bei Haffmans Einzug; da wurde die Bibel in lustig sein sollendes Szenedeutsch übertragen, und kurze Geschichten von Robert Gernhardt wurden noch einmal als Oster- bzw. Weihnachts-Mitbringsel aufgelegt und über den klassischen Platz an der Buchhändlerkasse in den Markt gedrückt. Von Gernhardt erschien sogar ein Katzenfreundbuch mit dem Untertitel „13 Lektionen in Catical Correctness“, Catical Correctness, es ist wirklich wahr, man faßt es nicht bzw. sich immer wieder an die Rübe: Catical Correctness, o weia!
Sammelte man die Geschichten, die Haffmans-Autoren wie Bernstein, Egner, Eilert, Goldt, Henscheid, Polt und Sowa kolportierten, käme leicht eins der bei Haffmans so beliebten dicken Hausbücher zusammen, in diesem Fall „Das große Haffmans-Hausbuch der Hochstapelei“. Wie Haffmans mit bloßer Faust ein hungriges Spätzlein vom Frühstückstisch verjagte; wie er an einer Imbißbude eine Quittung über einen Kaffee lauthals aus der Imbißbudenfrau herausdrangsalierte; wie er Leuten, denen er hohe Summen schuldete, auf deren Nachfrage hin wüste Briefe schrieb, er habe sie „groß gemacht“, sie aber seien „undankbar“, kurz: Jede Menge Gaunereien könnte man in diesem schicken dicken Buch, mit Lesebändchen und im Schuber natürlich, nachlesen.
Und einen Brief, den Haffmans im Mai 1997 an die Presse herausorgelte, um „,Lichte Gedichte‘, die neuste Lyrik von Robert Gernhardt“, anzukündigen: „Robert Gernhardt wurde bisher verglichen mit Dante, Klopstock, Goethe, Schiller, Heine, W. Busch (dem alten, weisen), Morgenstern, Rilke, Ringelnatz und Brecht. Aber er hat viel mehr erreicht: Seine Verse sind Gemeingut geworden, sie tauchen als Ohrwürmer und Wandsprüche wieder im Volke auf, so daß viele Gernhardt- Gedichte von sich sagen können: Wir sind das Volk.“
Gedichte, die „wir sind das Volk“ sagen können, gibt es glücklicherweise nicht – nicht einmal bei Robert Gernhardt, der doch so vieles erreichte. Dafür gibt es in seinem neuen Gedichtbank ein Gedicht, das ganz anders von sich und zu uns spricht. Hier ist es ungekürzt: „Zürich – Frankfurt / Main / 6.5. 95, mit Rückenlicht / Ohne Geheimnis die Welt. Nur eine Frage der Richtung. / Fällt mit der Sonne dein Blick, / wirkt das Gerundete flach.“ Darüber sollten wir alle einmal (oder auch zweimal) nachdenken.
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