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Wischiwaschi ohne Wurst

Nach einem unspektakulären 0:0 versuchen VfB Stuttgart und Borussia Dortmund eigene Unsicherheiten zu kaschieren, ihre Perspektive betreffend  ■ Aus Stuttgart Thilo Knott

Für ein paar Sekunden erwogen Dortmunds Trainer Nevio Scala und sein Spielgestalter Andreas Möller einen kühnen Plan. Möller war während einer Verletzungsunterbrechung zur Außenlinie geeilt und konferierte mit seinem Vorgesetzten über wenig Dortmunder Erbauliches der ersten Stunde. Der Inhalt des Zwiegesprächs, den Möller nach dem 0:0 beim VfB Stuttgart preisgab, erstaunte: „Wir wurden uns darüber einig, daß wir nur die Chance haben zu gewinnen, wenn wir alles auf eine Karte setzen.“

Scala und Möller beließen es dann aber bei dieser Erkenntnis. Den beiden fehlte schließlich doch der Mumm, sich am Unterfangen einer möglicherweise gewinnbringenden Offensive wenigstens zu versuchen. Das freilich erstaunte weit weniger. Warum eine Sicherheitstaktik ändern, die effizienter kaum sein könnte? Außer zwei Fernschüssen von Stefan Reuter keine echte Torchance besessen, damit aber einen Punkt ergattert – ist das nichts? Gegen einen Gegner, der immerhin bei Akpobories Pfostenschuß einem Erfolgserlebnis ein kleines Stückchen näher war?

Scala fühlte sich dann doch verpflichtet, die vornehme Zurückhaltung der Borussen zu erklären. „Was soll ich sagen?“ fragte er. Und antwortete sich selbst: „Wir wollten ohne Risiko spielen, deshalb hatten wir wenig Chancen.“ So einfach ist das. Stuttgarts Trainer Joachim Löw kam zu einer ähnlichen Analyse: „Wir wollten nicht den Fehler machen, zuviel Risiko einzugehen.“

Ist ja irgendwie auch verständlich, daß sich über ein mageres, torloses Remis bei einem Spiel zweier vorgeblicher Spitzenteams nur schwer reden läßt. Wer will sich schon den Anschein von Unsicherheit geben angesichts von jeweils nur acht Punkten aus fünf Partien. Also gaben sich die Akteure zufrieden mit dem Null-Null und forderten Einsicht. Der Verein für Bewegungsspiele sei „nicht gegen Bethlehem“ angetreten, sagte Stuttgarts Fredi Bobic. Borussia Dortmund habe „nicht gegen eine Mannschaft aus der dritten Liga gespielt, meinte Dortmunds Nevio Scala. Der VfB sei ja „keine Wurstmannschaft“, attestierte Heiko Herrlich.

Dortmund ist also nicht Bethlehem und Stuttgart keine drittklassige Wurstmannschaft. Klingt logisch, sagt aber wenig aus über den derzeitigen Leistungsstand der Bundesligisten. Stuttgarts Übungsleiter Löw jedenfalls will künftig „etwas mehr Druck nach vorne“ entwickeln und „die Handbremse lösen“. Das ist normalerweise die Sache Krassimir Balakovs. Der Mittelfeldstratege ist zuständig für das Wohl und Wehe der Stuttgarter Abteilung für Kreatives – und kennt mitunter überhaupt keine „Handbremse“. Die allerdings zog immer wieder der unerbittliche Schotte Paul Lambert an, dem sich Balakov gegenübersah. Und weil am Samstag kein Stuttgarter Kollege Balakov einen Teil der Verantwortung für die Spielgestaltung abnehmen konnte, haperte es damit. Fredi Bobic gab denn auch unumwunden zu, daß der Eindruck eines „Wischiwaschi im Mittelfeld“ entstehen konnte.

Dazu trugen die Dortmunder nicht minder bei, obwohl Nevio Scala „Fortschritte“ gesehen haben will im Vergleich zu den bisherigen Auswärtsauftritten auf Schalke (0:1) und bei der Berliner Hertha (1:1). Die Seinen hätten „gut gearbeitet“ in Abwehr und Mittelfeld, und schließlich seien Tore „nicht immer die Quintessenz des Spiels“. Auch der Umstand, daß sich die Borussia „nicht eine richtig 100prozentige Torchance“ (Herrlich) erspielte, grämte Scala nicht: „Toreschießen ist ein Problem, das jede Mannschaft hat.“

Derartige Zufriedenheit strahlte Jürgen Kohler nicht aus. Der Dortmunder Manndecker will auf fremdem Terrain keine Fortschritte, sondern endlich dreifach Punkte gewinnen. „Der Knackpunkt ist, daß wir auswärts nicht das Selbstvertrauen haben“, sagte Kohler, „einige trauen sich nicht so viel zu.“

Kein Selbstvertrauen, keine Risikobereitschaft, kein Torerfolg. Klingt auch logisch. Weshalb Kohler zu der bemerkenswertesten Einsicht des Tages kam: „Die zweite Halbzeit hätten wir uns sparen können.“ So einfach könnte Fußball sein.

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