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Mythos Bratkartoffel Von Michael Rudolf

Wie immer sind es die wesentlichen Dinge, die unsere Existenz in eine erträgliche Form gießen. Selten erhitzt sich daher mein Gemüt leidenschaftlicher als in puncto Bratkartoffeln, denn hier braucht es Klarheit.

Geldausgeberische Willkür ist dafür verantwortlich zu machen, daß ich neulich eine Eisenpfanne gekauft habe, eine Bio-Eisenpfanne. Vorbei die Zeiten der Emaillepfanne, die über die Zeit volles Rohr den Schwermetallbedarf ganzer Ethnien deckte, dafür aber selbst Spiegeleier zur Herausforderung werden ließ. Vorbei auch teflonbeschichtete Fehlentwicklungen, denn Bratkartoffeln, wie sie die/der Fachfrau/-mann versteht, waren damit ebenfalls ein Ding der Ungenießbarkeit. Was war es überhaupt, das die Eisenpfanne mit einem Mal aus dem Küchenverkehr zog? Niemand spricht darüber. Versuche mit Plastikpfannen wurden ganz schnell wieder eingestellt. Auch die Holzpfanne konnte sich ja bekanntlich nicht durchsetzen. Nur bei den zu Recht ausgestorbenen Neandertalern fand sie okkasionell Verbreitung, wozu genau, weiß kein Mensch.

Herr Sander kann das nur bestätigen. Auch teilt er meine Einschätzung der Notwendigkeit schlichter Eisenpfannen. Was er nicht teilt, ist die Einsicht in die essentielle Bedeutung roher Ausgangsware für Bratkartoffeln. Doch selbst Frau Fischer gibt das unumwunden und notfalls auch per Fax zu. Und die Familie Egner will mit rohen Kartoffeln sogar schon eine Eisenpfanne in Grund, Boden, Schutt und Asche gebraten haben. Die Herren Henschel und Roth frage ich gar nicht erst, die haben da sowieso keine Ahnung. Nicht einmal mein argumentativer Joker, erst die austretende rohe Stärke ermögliche eine hammermäßig knusprige Kruste, konnte bisher beim feinen Herrn Sander verfangen.

Dabei leistete er als dito frischgebackener Eisenpfannenbesitzer so wichtige Missionsarbeit in Leipzig, einer bratkartoffeltechnischen Diaspora, wie Sie mir glauben können. Bekanntlich wurde die Pleißemetropole auf kilometerdicken Trümmerschichten zerplatzter Bratpfannen und zähen Sedimenten ungenießbar gemachter Bratkartoffeln errichtet. Doch weht uns dort noch nicht ein Hauch der Einsicht an.

„Vor dem ersten Gebrauch sollten Sie Fett oder Öl in Ihre Eisenpfanne geben, rohe Kartoffelscheiben zufügen und diese kräftig salzen. Bei starker Hitze braten und mehrfach wenden, anschließend die Kartoffeln in den Abfalleimer werfen und die Pfanne mit Haushaltspapier gut ausreiben.“

Nehmen dies die Messestädter täglich wörtlich? Spricht dieser Passus in den Augen des „Kenners“ Sander etwa gegen rohe Kartoffeln? An dieser Stelle wäre ein klärendes Gespräch sicher ganz gut.

Ohne Widerworte geklärt werden konnte bislang auch nicht, welches Fett für den reibungslosen Garprozeß roher Kartoffeln Anwendung findet sollte. Wieder war es die Mehrheit, die für Butter resp. Butterschmalz plädierte, nur Spezialist Sander sagte und sprach: Margarine. Außerdem präferiere er Piri-Piri dazu. Majoran hingegen nie. Das ist bitter; auf dieser Basis ist doch keine Verständigung mehr möglich.

In was für einer Welt leben wir eigentlich?

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