: Boeing läßt die Funken fliegen
US-Luftfahrtbehörde stoppt über 150 Boeing 737: Explosionsgefahr ■ Von Niels Boeing
Berlin (taz) – Über 150 Maschinen vom Typ Boeing 737 dürfen seit Sonntag nicht mehr von US- amerikanischen Flughäfen abheben. Die Bundesluftfahrtbehörde FAA ordnete an, die Flugzeuge erst einer Sicherheitsinspektion zu unterziehen. Grund für die Aufregung: In den Treibstofftanks besteht Explosionsgefahr.
Boeing hatte zuvor die FAA benachrichtigt, in drei Maschinen der Baureihe 737-100 und 737-200 defekte elektrische Leitungen entdeckt zu haben. Diese liefern den Strom für die Treibstoffpumpen und verlaufen in den beiden Modellen, die zur ersten Generation der Boeing 737 gehören, durch die Treibstofftanks in den Flügeln hindurch. Ein Kurzschluß könnte genügen, um mit einem Funken das Kerosin im Tank zu entzünden.
Die Kabel stecken hier in dünnen Metallrohren. Eine Teflonschicht zwischen Kabel und Rohr soll verhindern, daß die Kabelisolierung durch Schwingungen während des Fluges durchscheuert. Doch die Teflonummantelung ist nicht für die Ewigkeit gebaut: Nach mehr als 50.000 Flugstunden war sie in den drei inspizierten Maschinen aufgerieben.
Am Freitag hatte die FAA den in den USA operierenden Fluglinien zunächst eine 7-Tage-Frist eingeräumt, die Leitungen in ihren 737-Maschinen zu überprüfen, die mehr als 50.000 Stunden in der Luft waren. Am Sonntag kam dann das Startverbot. Zu Recht: Noch am selben Tag hatte United Airlines in sieben von 14 Maschinen verschlissene Kabelummantelungen entdeckt. In einem Fall entdeckten Techniker Spuren eines Funkenschlags, in einem anderen Jet war das Kabel sogar bis auf den Kupferkern durchgescheuert.
Die FAA vermutet seit langem, daß genau dies die Ursache für die Explosion des TWA-Jumbos 1996 vor der Küste New Yorks war, bei der 230 Menschen starben. Nachweisen konnte sie es bisher nicht. Wie die Behörde mitteilte, ist der Kabelschaden aber inzwischen in einem anderen Jumbo (Boeing 747) entdeckt worden. Für die Wartung der in den USA registrierten Jumbos sowie aller Boeing 767 erließ die FAA deshalb am Freitag eine 60-Tage-Frist, um die Leitungen auszutauschen. Jetzt erwägt sie außerdem, auch 737-Modelle mit weniger als 50.000 Flugstunden einem Check zu unterziehen.
Mit knapp 2.900 Stück weltweit ist die Boeing 737 die häufigste Passagiermaschine. Einzig für die dritte 737-Generation besteht kein Risiko: Die Tanks sind kabelfrei. „Die 100er und die 200er-Reihe sind Oldies“, beruhigt Jochen Pieper, Sprecher Luftfahrt-Bundesamtes. „Die fliegen bei keiner deutschen Airline mehr.“
In den USA ist das anders. Allein United Airlines läßt noch 44 hochbetagte 737-100 und -200 auf die Rollbahn. Wegen der FAA- Anordnung mußte das Unternehmen am Sonntag 54 Flüge streichen. Der Ausfall sei aber nicht schlimmer als bei miserablem Wetter, beschwichtigte eine United- Sprecherin die US-Medien. Da die 737 ein Kurzstreckenflieger ist, hat die Inspektion für den internationalen Flugverkehr keine Bedeutung. Das könnte sich aber schnell ändern, wenn in weiteren Jumbos die Kabel blank liegen.
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